10689826_773691989366055_2976063180084716586_nEine Gruppe aus fünf zusammengestoppelten Typen, vom Schicksal bisher recht stiefmütterlich behandelt und mit mehr oder weniger liebenswürdigen Macken gesegnet, versucht, einen angeblich uneinnehmbaren Tresor zu knacken und gleichzeitig Rache für XYZ zu üben. Mhm, auf den ersten Blick könnte man denken, alles schon mal dagewesen, alles schon mal gesehen, in der einen oder anderen Umsetzung, gäbe es da nicht ein paar klitzekleine, kaum erwähnenswerte Abweichungen…

Zum ersten ist es ein Hindi Film – zum zweiten führt Farah Khan Regie – zum dritten wird er von Shah Rukh Khans Produktionsfirma Red Chillies produziert – and last but not least – präsentiert der Film einen Starcast in Spiellaune, den es so wohl noch nicht gegeben hat… das alles ergibt ein dreistündiges visuelles Spektakel vom Feinsten, welches für Lachmuskelkater sorgt, kein Auge trocken lässt und so ziemlich jede vorstellbare menschliche Regung bedient, ein echter Masala eben. Nur die Logik sollte man zuweilen auf einen Kaffee schicken oder gleich ganz an der Garderobe abgeben, aber wer will bei einer solchen Kurzweil schon pingelig sein. Ach ja, noch ein unwesentlicher Punkt, Shah Rukh Khan spielt mit…

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Kurz zur Handlung. Charan Grover (Jackie Shroff) ist ein erfolgreicher und rücksichtsloser Geschäftsmann, der für seine Pläne zuweilen auch über die sprichwörtlichen Leichen geht. Eines dieser Opfer ist Charlies (Shah Rukh Khan) Vater (gespielt von Anupam Kher), dessen Fähigkeiten als Tresorbauer von Grover ausgenutzt wurden, um danach als Sündenbock in einem fingierten Raub herzuhalten. Der ehrenwerte Mann landete unschuldig und verleumdet im Gefängnis, ohne Hoffnung auf Rehabilitation, was Charlie ruhelos um die ganze Welt treibt, um den richtigen Moment zu erwischen, Grover mit seinen eigenen Methoden zu schlagen und seinen Vater zu rächen.

Dieser Moment kommt, als Grover in Shalimar, dem berühmten einbruchsicheren Tresor, den Charlies Vater einst entworfen und gebaut hatte und der sich unterhalb des Atlantis Hotels in Dubai befindet, millionenschwere Diamanten eines Kunden aufbewahren soll. Charlie sammelt also Freunde und Arbeitskollegen seines Vaters ein, die ihm dabei helfen sollen, den Tresor zu knacken, die Diamanten zu rauben und als Sahnehäubchen Grover & Son. als Schuldige dastehen zu lassen.

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Die Jungs sind, obwohl Experten auf ihren Gebieten, doch alles andere als gestandene Profis des räuberischen Gewerbes, jeder für sich ist ein Loser der besonderen Art. Da ist Tammy (Boman Irani), der sich für einen Adonis hält und doch immer noch bei seiner dominanten Mama wohnt; der Exsoldat Jag (Sonu Sood), der sich aufgrund eines Hörproblems und der damit verbundenen Missverständnisse immer wieder gezwungen sieht, die Ehre seiner Mutter zu verteidigen; Nandu (Abhishek Bachchan), der unter Stress Probleme hat, seinen Mageninhalt bei sich zu behalten, aber wegen seiner Ähnlichkeit mit Grovers Sohn Vikki unabdingbar für Charlies Plan ist sowie Jags Neffe, der junge Rohan (Vivaan Shah), ein begabter Computerhacker.

So weit so schlecht. Um aus einem solchen Haufen ein erfolgreiches Team zu machen, braucht es einen starken Chef und einen emotionalen Klebstoff, der es auch unter Stress zusammenhält. Den bietet Charlies zu Tränen rührende Geschichte, die noch mehr Wendungen bereithält, als anfangs vermutet. Die Vorbereitungen laufen von daher ganz gut, bis er seinen Jungs beichten muss, dass das Ganze unter dem Deckmantel eines internationalen Tanzwettbewerbes ablaufen wird. Das wird dann zum Problem, wenn von fünf Beteiligten nur 4 ½ tanzen können. Also muss schnell ein Tanzlehrer her und nach vielen, für den Zuschauer höchst vergnüglichen Pleiten, findet sich die ambitionierte Bartänzerin Mohini (Deepika Padukone), die die Jungs in tänzerische Form bringen soll. Als „Team India“ machen sie sich nun auf den Weg nach Dubai, um an einem Tanzwettbewerb teilzunehmen und parallel den sichersten Tresor der Welt auszurauben, unter den Augen von Charan Grover und der Top Security des ganzen Hotels.

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Dieses Szenario ist so kurios, aber typisch Bollywood, dass Farah Khan bei den Zutaten eigentlich nur einen Blockbuster landen konnte. Der so lange geplante Film, dessen ursprüngliches Drehbuch gerüchteweise unter den Händen ihres Drillingspaares ein schmähliches Ende gefunden haben soll, hat nun endlich seinen Weg auf die Kinoleinwand gefunden und hält so ziemlich alles, was er verspricht. Happy New Year ist nicht nur eine bildgewaltige, reizüberflutende, obskure Mischung aus Rachedrama, Tanzfilm, Gaunerkomödie und Liebesfilm, unterlegt mit einer im Film stimmigen und eingängigen Musik, sondern auch eine Hommage an Bollywood an sich und das bisherige filmische Schaffen seines Hauptdarstellers Shah Rukh Khan im Besonderen.

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Seine Rolle des Charlie steht im Mittelpunkt der Handlung, mit ihm steht und fällt die Geschichte. Und doch schafft es Shah Rukh Khan hier, sich zurückzuhalten, als Teamplayer aufzutreten, seine Rolle hat trotzdem ihre Momente, auch tolle Augen-Blicke, vor allem für das weibliche Publikum, und doch überstrahlt er nirgends seine Filmkollegen/Innen. Jeder der vier Jungs und das Mädel füllt bravurös eine für den Film wichtige Rolle aus, mit mehr oder weniger körperlichen Einsatz. Boman setzt in seiner Rolle als Tammy mit einem sympathischen Waschbärbauch einen angenehmen Kontrapunkt zu den X-Packs, er braucht nur den Mund aufzumachen, um die Lacher auf seiner Seite zu haben. Sonu endlich mal in einer komödiantischen Rolle zu sehen, war sehr schön und zeigt, dass der Mann auch Humor hat. Abhishek bediente gekonnt den Ekel-Faktor des Masalastreifens, konnte seine orale Diarrhöe einmal sogar nutzbringend für sein Team einsetzen. Ausnahmslos jeder der Akteure bekommt seine Szenen in dem Film, keiner kommt zu kurz und alle schienen beim Dreh ihren Spaß gehabt zu haben. Das Comic Timing der Jungs ist einfach perfekt und schafft es, selbst mit den plattesten Gag das Publikum Tränen lachen zu lassen. Ich sage nur Peter und Torte… Deepika überzeugte als Tänzerin und moralischer Fixpunkt, mit ihrer unerschütterlichen Souveränität schafft sie es am Ende sogar, das Team wieder auf Kurs zu bringen (Ihre von Kabir Khan geborgte Ansprache ans Team hat übrigens nicht unwesentlich zu meinem Lachmuskelkater beigetragen).

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Mohini sorgt auch für die ernsteren Töne in dieser bunten Mischung aus perfekt getimten Slapstick, mal fantastisch choreografierten und mal gewollt amateurhaften Tanzeinlagen, und gekonnt in Szene gesetzter Action. Die Liebesgeschichte zwischen Charlie und Mohini bleibt allerdings eher dezent im Hintergrund, Happy New Year ist nun mal keine Liebesgeschichte. Die anfangs einseitige Romanze fungiert eher als Plattform für Charlies Wandlung von einem sich um Kopf und Kragen redenden Macho, der nur seine Rache im Kopf hat, hin zu einem besseren Mann und rundet die Handlung ab. Obwohl frau sich fragt, warum Mohini sich mit ihren Ansprüchen so von einem Mann behandeln lässt, auch wenn es eher aus Achtlosigkeit geschieht. Die berührendste Szene hat Mohini eher mit Jag auf dem Balkon, als er ihr emotionale Unterstützung bietet. Ihr Happy End kommt dann auch zu abrupt und geht in dem extrem patriotisch ausgelegten Ende eher unter.

Das bei Stunts der kämpferischen oder ich-rette-einen-süßen-kleinen-Jungen Art die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt werden, sind wir ja aus diversen Filmen nicht nur aus Bollywood gewohnt. Doch Farah schafft es auch in diesem Film wieder, diese ästhetisch und fast tänzerisch elegant umzusetzen, sei es Charlies Schlammschlacht, mit dem das Publikum gleich zu Beginn gepackt und in den Film gezogen wird, oder die Kung Fu Szene auf dem Dach in schwindelerregender Höhe. Nur auf die in Zeitlupe zu sehenden Körpertreffer incl. Blutspritzer hätte ich gut verzichten können.

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Guter Übergang, ein paar Kritikpunkte muss ich anbringen, jetzt, nachdem die Lachkrämpfe nachgelassen haben.

Six, Seven, Eight Packs… Wer so was braucht, der wird hier umfassend bedient, der Handlung dient es genauso wenig wie die goldblonde Strähne in Shah Rukh‘s Schopf. Mir wäre es lieber, er würde sich ein Feinripphemd seiner Lieblingswerbemarke drüberziehen, gerne auch verschwitzt, verschmutzt, zerrissen oder gar blutig, oder in romantischen Szenen ein bis zum Sternum aufgeknöpftes Hemd, immer noch besser als diese an ihm unnatürlich wirkenden Muskelpakete. Obwohl mir seine Rückenansicht hier besser gefiel als in OSO. Ich denke, er hatte nur einen Grund dafür, und der hieß Farah Khan. Wir hätten es uns also denken können.

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Das mit der Logik hatten wir schon am Anfang, doch eines ist mir besonders aufgefallen, warum haben als unbezwingbar geltende Tresore eigentlich so oft einen Ein/Ausstieg von oben? Warum steigt das Team nicht gleich dort hinein, um die Diamanten zu stehlen, anstatt den ganzen Aufwand mit dem Green Room usw. zu betreiben? Gut, das hätte nicht für die notwendigen Spuren gesorgt, um Grover als Schuldigen hinter Gitter zu bringen und den Film nach anderthalb Stunden enden lassen. Nicht zu vergessen, wir hätten Abhishek im Hemdchen verpasst, also geben wir der Logik einen weiteren Fußtritt und lehnen uns entspannt genießend zurück.

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Was mich des Weiteren gestört hat, ist die Sippenhaft, die auch den (wohl) unschuldigen und (vielleicht) ahnungslosen Sohn von Grover ins Visier von Charlies Rache und die Mühlen der arabischen Rechtsprechung geraten lässt. Wie gesagt, inwieweit er in die Machenschaften seines Vaters verwickelt war oder nicht, lässt sich nicht beurteilen, auf jeden Fall hinterließ dies einen leichten Nachgeschmack bei mir.

Ein wenig zu viel indischer Patriotismus? Nun ja, stimmt, auf den erhobenen moralischen Zeigefinger könnte man gut verzichten, doch irgendwie wirkte es auch nicht fehl am Platze. Keine Ahnung, aber die Inder dürfen das. Es passte auch zur Stimmung des Films und sorgte für ein unvergessliches, mitreißendes Ende.

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Was ich auch ein wenig vermisst habe, war die emotionale Tiefe, die mich den Film auch nach dem Abspann mit nach Hause und in meine Träume nehmen und mich nach alternativen Handlungen oder Endungen suchen lässt. Der Film war jedoch mehr als unterhaltsam und sorgt auch rückwirkend noch immer für gedankliche Lacher. Farah liefert das, was wir von ihr gewohnt sind und mehr. Also drei Stunden vergnügliches Kino für Fans von Shah Rukh Khan und Bollywood, die hier wieder einmal voll auf ihre Kosten kommen.

Zu dem Abspann muss ich wohl nicht viel sagen, wieder mal ein würdiger Abschluss eines Farah Khan Films und witzig umgesetzt. Selbst Gauri bekam ihren Auftritt, ihr Gatte nebst AbRam waren einfach knuffig anzusehen und sorgten für ein großes Aah… im Publikum. Der Knirps scheint voll nach seinem Vater zu kommen.

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Ich hatte diesmal das Glück, mit vier lieben Freundinnen zwei schöne Tage zu verbringen und mit ihnen gemeinsam ins Kino gehen zu können, leider nur eine Vorstellung, wenn es beruflich und privat gepasst hätte, wäre ich gerne noch ein zweites Mal hineingegangen. Mir hat hinterher alles wehgetan vor Lachen und da ich ohne Erwartungen ins Kino gegangen bin und auch vorher keine der Videos angesehen hatte, wurde ich angenehm überrascht und gut unterhalten. Der Film besticht durch eine exzellente Bildqualität und atemberaubende Kamerafahrten aus tollen Blickwinkeln, mein Dank an Regie und Kamerateam. Die Musik von Vishal Dadlani und Shekhar Ravjiani, die im Vorfeld eher zum Durchschnitt gehörte, fügt sich im Film nahtlos in die Handlung ein, ohne sie zu übertönen, genauso wie die Tanzszenen unterstreicht sie die Handlung eher und bringt sie voran. Als Soundtrack hervorragend angelegt, ohne große Höhepunkte oder Ohrwürmer, ausgenommen vielleicht India Waale.

Ich hätte jetzt aber gerne mal wieder eine Rolle, in der Shah Rukh als Schauspieler gefordert wird, die er nicht so einfach aus dem Ärmel schüttelt und wo ihn der Regisseur hin zu neuen Herausforderungen führt.

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