Eine simple Geschichte, die wie ein Bühnenstück anmutet, deren Umsetzung Achtung! sechs bis acht Jahre in Anspruch nahm. Das ist selbst für Bollywood heftig und ein Beispiel, das trotzdem was Vernünftiges und Sehenswertes dabei herauskommen kann, wenn man nicht so penibel auf Kontinuität bei den Frisuren achtet, besonders bei Salman Khans zurückweichender Haarpracht. Allerdings schwankt die Bild und Tonqualität des Films bisweilen beträchtlich, manchmal sogar innerhalb aufeinander folgender Szenen. Trotzdem liebe ich diesen Film, vor allem aufgrund des wieder mal gelungenen Zusammenspiels von Madhuri Dixit und Shah Rukh Khan, die hier ein Ehepaar spielen, das erst einmal eine gegenseitige Kommunikationsbasis erreichen muss, um zueinander zu finden.

Radha (Madhuri Dixit) und Gopal (Shah Rukh Khan) sind die ersten Jahre ihres Lebens zusammen bei dem Großvater von Radha und ihrem Bruder Prashant aufgewachsen. Dieser zieht auch Gopal und dessen Schwester Nisha auf, die Kinder seines verstorbenen Freundes, dessen Erbe er auch verwaltet. Seine Tochter verlässt nach einem heftigen Streit wegen des ungeratenen Schwiegersohns mit ihren Kindern das Haus und bricht danach jeden Kontakt ab. Sie nimmt einen Waisenjungen auf, der von Radha den Namen Suraj erhält (als Erwachsener Salman Khan). Sie ermuntert ihn, eine Karriere als Sänger einzuschlagen. Nach dem Unfalltod der Mutter kehren die nun erwachsenen Geschwister zu ihrem Großvater zurück, der umgehend damit anfängt, Heiratspläne zwischen Gopal und Radha zu schmieden, die auch beide nicht abgeneigt scheinen.

Doch nach der Hochzeit fangen die Probleme an. Sie finden kaum Zeit für sich, sind ständig von irgendwelchen Familienmitgliedern umgeben, Prashant und Nisha geraten durch Missverständnisse aneinander und die häufigen Telefongespräche zwischen Suraj und Radha wecken Gopals Eifersucht. Er weiß nicht, dass die beiden wie Geschwister aufgewachsen sind und einander auch als solche betrachten. Und niemand macht sich die Mühe, ihn aufzuklären. Da er es auch nicht schafft, mit Radha darüber zu reden und alles in sich hineinfrisst, eskaliert die Situation eines Tages und er wirft sie aus dem Haus. Obwohl beide ineinander verliebt sind und nicht ohne einander leben können, brauchen sie Hilfe von außen, um endlich ihre Fehler zu begreifen und wieder aufeinander zuzugehen.

Das Hauptproblem ist wie gesagt die fehlende Kommunikation, Liebe allein reicht nicht. Man möchte sie manchmal einfach am Schlafittchen packen, durchschütteln wie junge Katzen und sie anschreien, redet endlich miteinander. Das fängt schon in der Hochzeitsnacht an, als die wichtigsten Sachen nur in Gedanken gesagt werden. Diese kleinen, aber feinen Szenen am Anfang der Ehe zeigen die aufkommenden Probleme auf. Doch aus Problemchen werden im Laufe der Zeit ernsthafte Probleme, und auch wenn diese manchmal arg konstruiert rüberkommen, sind es doch Sachen, die in jeder Ehe passieren können. Gopal fühlt sich immer mehr wie ein Fremder im eigenen Hause, während Radha zu achtlos mit ihren Pflichten als Ehefrau umgeht, mit ihren unbedachten Äußerungen ihren Mann unwissentlich kränkt und verletzt, der aus Liebe zurücksteckt und seinen Ärger an anderen auslässt. Er wird verschlossen und cholerisch, sie reagiert irritiert und teils unsensibel.

Um die physische Einheit zu vollenden, muss auch eine psychische erfolgen. Jeder Mann dürfte misstrauisch werden, wenn der Freund der Frau ständig anruft, zu Hause sitzt, wenn er von der Arbeit kommt oder einfach nur stets in den Gedanken der Frau zu sein scheint. Doch anstatt mit der Faust auf den Tisch zu hauen und die Sache zu klären, tut Gopal all dies nur in Gedanken und lächelt verbissen. So ist Radha völlig überrascht, als endlich alles aus ihm heraus bricht. Nur anstatt jetzt Radha die Chance zur Erklärung zu geben, wirft er sie raus. Auch hier wieder ein Missverständnis, den jeder wartet darauf, dass der andere den ersten Schritt der Versöhnung macht. Doch die Umstände und die Umwelt verschlimmern die Situation nur noch.

Wie erwähnt sind dem Film die lange Zeit der Produktion anzusehen, das tut der Handlung trotz wechselndem Erzähltempo aber kaum Abbruch. An Shah Rukhs wechselnden Frisuren, aber auch seinen unterschiedlichen gesundheitlichen Zuständen kann man erkennen, wann welche Szenen gedreht wurden, ansonsten ist sein Spiel durchgängig und davon nicht beeinflusst. Anders bei Salman, bei dem nicht nur die Frisuren, sondern auch die Schauspielerei sprunghaft wechseln, was teilweise schon irritiert. Er ist meistens einfach zu überdreht, kein Wunder, das Shah Rukh keine Mühe hat, seinen Kollegen und damaligen Freund schauspieltechnisch die Schau zu stehlen. Madhuri Dixit harmoniert mit beiden sehr gut, doch die Chemie zwischen ihr und Shah Rukh wird nur von der mit Kajol übertroffen. Sie ist einfach wunderbar, auch wenn sie kaum tanzen darf. Ihre Szenen sind überzeugend und werden im Laufe der Handlung immer eindringlicher und emotionaler. So muss ich vor allem die nächtliche Szene am Klavier erwähnen und natürlich die hoch dramatische, kurz bevor Gopal seine Frau aus dem Haus wirft. Diese qualvolle selbstzerstörerische Szene, in der er bewusst den Schmerz sucht, war sicher eine gute Übung für Devdas.

Die beste Szene von Salman und Shah Rukh ist sicher die Konfrontationsszene, als Gopal mit einer Waffe auftaucht. Beim ersten Schauen blieb mir hier schon das Herz stehen, weil ich Angst hatte, einer von beiden bleibt nun auf der Strecke. Doch dieser emotionale Aufschrei von Gopal, der sich anders einfach nicht mitteilen kann, zeigt Wirkung und liefert Suraj auch den Lösungsansatz.
Shah Rukh spielt diese sicher nicht immer sympathische, aber ehrliche Rolle des frustrierten Ehemannes wirklich überzeugend. Erst spielerisch und neckend, dann immer verkrampfter werden seine Szenen mit Madhuri. Wenn er mit diesem mörderischen Blick aus dem Zimmer seiner Schwester kommt, hat man fast Mitleid mit Prashant, denn das ist pure Mordlust. Fast morbide angehaucht erklärt Gopal seiner Frau die Wirkung von Schlaftabletten. Und dann prügelt er sich beinahe im Namen all der gehörnten Ehemänner. Unerreicht und fast legendär ist Shah Rukhs Selbstgespräch mit der Pferdestatue, diese Szenen kann er einfach wie kein zweiter. Wie in Rab Ne Bana Di Jodi benutzt der Regisseur diese Szene, um die innere Zerrissenheit des Charakters zu zeigen.

Aishwarya Rai taucht in einem kurzen Gastauftritt als blinde Freundin von Suraj auf, die Gopal endlich aufklärt und seine Fehler aufzeigt. Sie als Blinde einzusetzen, war sicher nicht die beste Idee des Regisseurs, sie bleibt zu farblos und steht einfach so rum, da sie ihre Augen nicht benutzen darf. Die Szene danach ist mir einfach zu dick aufgetragen, denn nicht nur Gopal hat Fehler gemacht, er nimmt nun aber alle Schuld auf sich. Seine Kehrtwendung um 180° kommt zu plötzlich und so ist die weichgespülte Versöhnungsszene mit Radha zwar tränendrüsig, bleibt für mich aber leider unbefriedigend. Ein richtiges augenkratzendes Gefetze mit fliegendem Geschirr und anschließender leidenschaftlicher Versöhnung wäre besser und verständlicher gewesen. Noch schlimmer ist dann die eher peinliche Verlegung der allumfassenden Aussöhnung und aller Kniefall voreinander auf die Bühne, autsch. Entweder fiel dem Regisseur nichts Originelleres ein oder alle wollten es endlich hinter sich bringen.

Die Musik ist bis auf zwei Ausnahmen kaum erwähnenswert. Vor allem die Songs von Suraj sind für mich ein Fall für die Vorspultaste. Nix gegen Salman, aber er kann es besser. Und Shah Rukh beim Hochzeitssong einfach so hölzern herum stehen zu lassen, bäh…
Eins meiner Lieblingslieder überhaupt ist Hum Tumhare Hain Sanam, mit großartigen Bildern und viel Gefühl umgesetzt. Man merkt dem Song an, dass er relativ spät verfilmt wurde, das Spiel von Shah Rukh und Madhuri ist versiert und professionell. Und dann natürlich Wafa Ka Sila mit wundervollen Rückblenden, in dem beide still vor sich hin leiden, einfach zum dahin schmelzen, besonders Shah Rukhs Augen.

Sicher ist HTHS kein Meisterwerk in Shah Rukhs Sammlung, denn Chalte Chalte zum Beispiel kommt besser klar mit dem Thema Eheprobleme, ohne wie hier allzu sehr den moralischen Zeigefinger zu heben, dennoch ist trotz der langen Produktionszeit ein für Fans unterhaltsamer Film rausgekommen, der von seinen Schauspielern lebt und tiefste Gefühle anspricht. Was mich ein bisschen stört, ist die fehlende Entwicklung der Liebesgeschichte zwischen Radha und Gopal. Hatten sie in den Jahren der Trennung seit der Kindheit Kontakt zueinander? Wenn nein, wieso liebten sie dann einander? Das hätte ruhig ein wenig ausführlicher behandelt werden können.
Zum Schluss muss ich es einfach noch mal erwähnen, sechs Jahre Produktionszeit, Hut ab vor der Geduld und dem Durchhaltevermögen aller Beteiligten.