Kuch Kuch Hota Hai (KKHH) ist der erste Film, in dem Shah Rukh einen Vater spielt. Gleichzeitig stand er während der Dreharbeiten kurz davor, auch im echten Leben Vater zu werden. Manchmal schreibt das Leben eben das Drehbuch.
Shah Rukh spielt Rahul Khanna in zwei Lebensabschnitten, zuerst sehen wir ihn als Witwer mit seiner kleinen Tochter Anjali (Sana Saeed). Mit im Haushalt wohnt seine Mutter (Farida Jalal), die sich nicht damit abfinden will, dass ihr Sohn sein Leben alleine verbringt und ihre Enkelin mutterlos aufwachsen soll. Anjali bekommt zu jedem Geburtstag einen Brief, den ihre Mutter Tina (Rani Mukherjee) kurz vor ihrem Tod, sie starb kurz nach der Geburt des Kindes, geschrieben hat. Im achten und letzten erzählt die Mutter ihrer Tochter die Geschichte ihrer Liebe und von wem sie ihren Namen hat.

Und schon entführt der Film die Zuschauer in die bunte, unwirkliche Welt eines noch unwahrscheinlicheren Colleges, an dem ihr Vater mit seiner besten Freundin Anjali (Kajol) seine Jugend genießt. Bis Tina, die Tochter des Rektors, das College betritt und damit auch Rahuls Herz. Als Anjali endlich begreift, dass sie Rahul nicht nur als Freund sieht, sondern liebt, muss sie feststellen, dass dieser sich in Tina verliebt hat. Hals über Kopf verlässt sie das College und damit für viele Jahre auch Rahuls Leben. Doch Tina erkennt, dass sie da zwischen zwei Seelenverwandte geraten ist und möchte das wiedergutmachen. In ihrem letzten Brief an ihre Tochter bittet sie diese um Hilfe, da sie weiß, das Rahul es alleine nicht schafft, nach Anjali zu suchen und wieder glücklich zu werden. Oma und Enkelin verbünden sich nun, um ihm auf die Sprünge zu helfen, mit tatkräftiger Unterstützung von Tinas Vater (Anupam Kher).

Mit diesem Film betreten wir zum ersten Mal die quietschbunte, überlebensgroße Welt des Kinos von Karan Johar. Der Sohn des Produzenten Yash Johar gab damit sein Regiedebut, mit Unterstützung seiner Freunde Shah Rukh und Kajol, die ihn während der Dreharbeiten für DDLJ (wenn diese Geschichte stimmt, dann hab ich auch auf diesem Bahnhof in Saanen an der Stelle gesessen, als KKHH geboren wurde…) erst auf die Idee brachten und dann auch drängten, den Film zu drehen.
Und gleich mit seinem ersten Film, den er auch geschrieben hat, lieferte Karan einen zu Tränen rührenden Blockbuster, der zu einem der wunderbarsten und beliebtesten Bollywoods avancieren sollte. Es gibt wohl kaum einen Regisseur wie ihn, vielleicht noch Yash Chopra, der so virtuos auf der Gefühlskala der Zuschauer spielt. Er schafft es, uns schon in den ersten paar Minuten des Films um eine Figur weinen und mit einer anderen mitleiden zu lassen, die uns beide noch gar nicht richtig vorgestellt wurden. Kaum ein anderer Film fängt mit einem solchen Paukenschlag der Emotionen an. Danach dürfen wir kurz verschnaufen, bis der Film wieder an Tempo zulegt und peu a peu die Gefühle hochtreibt.

Die Songs wurden schon vor Kinostart zu Chartstürmern und das Leinwandpaar Shah Rukh und Kajol nun endgültig zu dem Paar Bollywoods gekrönt. Der Film ist durchweg straff inszeniert, trotz 183 min ohne nennenswerte Längen und hat eigentlich alles, was dazu gehört: Liebe, Tragik, Humor und ein Happy End der große Gefühle. Besser geht es kaum.
Getragen wird der Film von seiner großartigen Besetzung bis in die Nebenrollen. Es schien kaum möglich, das es nach DDLJ noch eine Steigerung geben könnte, doch Shah Rukh und Kajol bewiesen es. Sie spielen und interagieren vor der Kamera wie eine Person, ohne Proben, ganz instinktiv und das ist auch hier wieder sicht- und fühlbar. Ihr Spiel ist frisch und natürlich.

Shah Rukh läuft in KKHH zur Hochform auf, ob als Tausendsassa im College, mit mehr Freundinnen als gut für ihn ist, der aber auf der anderen Seite ganz altmodisch einmal die Woche im Tempel betet, oder als frischgebackener Vater, der in einem Moment glückselig seine Tochter zum ersten Mal im Arm trägt und im nächsten weinend auf dem Sterbebett seiner Frau zusammenbricht, bis hin zum allein erziehenden Vater, der von seiner Tochter wieder in die Gefühlswelt seiner Jugend zurückgeschubst wird. Shah Rukh meistert all diese Rollen bravourös und mit jugendlichem Charme. Einzig das Ende war mir dann doch ein wenig zu tränenlastig. Da zeigt er in neueren Rollen, das eine einzelne Träne meist beredter ist als diese Überschwemmung.

Kajol steht Shah Rukh in Sachen Wandelbarkeit in nichts nach. Ob als überdrehtes Collegegirl, das wie ein Flummi durch die Handlung hüpft oder als erwachsene Frau im Sari, die sich mit einem Leben an der Seite eines Freundes, aber ohne Liebe arrangiert hat, bis hin zu einer Frau, die ihre Liebe wiederentdeckt. Gerade diese erwachsene Liebe der kleinen Gesten und Blicke, besonders in Szenen wie der unvergesslichen im Pavillon geht in ihrer Intensität zwischen den beiden Akteuren unter die Haut. So umwerfend romantisch und gleichzeitig bestürzend tragisch, da hier die Liebe so gar keine Chance zu haben scheint.
Kajol hatte sogar einen kleinen Unfall während der Dreharbeiten. Sie stürzte in der Fahrradszene und verlor das Bewusstsein. Da sie nach dem Aufwachen wohl kurzzeitig das Gedächtnis verloren hatte, trieb Shah Rukh einigen Schabernack mit ihr.

Rani Mukherjee, Kajols Cousine, spielt hier in ihrem dritten Film und avancierte schnell zum festen Bestandteil von Karans Glücksklee seiner künftigen Blockbuster. Sie ist gemäß ihrer leider sehr kurzen, aber prägnanten Rolle sehr erwachsen und sexy, damit am College das genaue Gegenteil von Anjali, die sich ihrer Gefühle und Sexualität noch nicht bewusst ist. Wissenswert ist auch, dass die Rolle der Tina erst einigen anderen Schauspielerinnen angeboten wurde, die allesamt ablehnten, darunter Tabu, Aishwarya Rai und Karisma Kapoor. Das Rani die Rolle spielte, war ein Glücksfall, sie passt genau hinein, samt ihrer rauchigen Stimme, die Karan Gott sei Dank nicht wie ursprünglich geplant synchronisiert hat.

Wie gesagt sind auch die Nebenrollen mit bekannten Gesichtern besetzt. So absolviert Salman Khan einen etwas längeren Gastauftritt als Verlobter von Anjali, der am Ende die Frau, die er liebt, mit der wohl nobelsten Geste in der Geschichte Bollywoods zu einem anderen gehen lässt. Obwohl es ganz kurz so aussieht, als würde er sie doch noch mit Gewalt vor den Altar zerren. Da stockte schon erst mal der Atem. Shah Rukh hat sich später für diesen Gefallen mit einem Gastauftritt in Salmans Har Dil Jo Pyar Karega revanchiert, sinnigerweise als Rahul mit seiner Tochter Anjali.
Anupam Kher glänzt mal wieder in einer witzigen Rolle, die in ihrer Albernheit manchmal etwas überdreht ist. Selbst Johnny Lever ist einigermaßen erträglich. Farida Jalal spielt wunderbar und teils selbstironisch Shah Rukhs Mutter.
Kurz in ein zwei Szenen (zum Beispiel in der Neelam Show) sind auch Nikhil Advani, Farah Khan und selbst Karan Johar zu sehen, allerdings muss man schon genau hinschauen.

Die Musik von Jatin-Lalit ist ein Höhepunkt für sich. Da haben sie ein Meisterwerk hingezaubert. Die Choreographie hatte wieder mal Farah Khan unter sich. Die Songs sind ein Mix aus frechfröhlichen und bunten Collegesongs (die Inder scheinen noch nix von Schleichwerbung gehört zu haben) und emotionalen Liebessongs, die teilweise in Glen Coe, Schottland, gedreht wurden. Fürs College hat Karan Shah Rukh allerdings teilweise in Klamotten gesteckt, die diesem in seinem damaligen Alter höchst peinlich waren, doch sah es gar nicht mal übel aus.
KKHH gehört zu den klassischen Einsteigerfilmen ins Hindikino. Er ist perfekt inszeniert, anfangs überdreht, mit einigen Wendungen, um die ich jeden Erstgucker beneide, einem gut abgestimmten Maß an Dramatik und Humor, der nie geschmacklos wird. Einige Szenen haben inzwischen Kultcharakter und wurden in vielen Filmen kopiert. Rahul, der sich ohne Worte vor Tina verbeugt, ist ein Moment für die Ewigkeit. Der Film ist nicht ohne Grund ein Klassiker und hat in dem Jahr so ziemlich alle wichtigen Preise abgeräumt.