Ich brauchte ein wenig Abwechslung, um den Kopf freizubekommen und hab mir wieder mal Oh Darling… angeschaut. Ich weiß, dass ich ziemlich allein dastehe mit meiner Leidenschaft für diesen Film, alle schütteln den Kopf, wenn ich davon anfange. Aber ich kann jedem nur empfehlen, sich den Film genauer anzuschauen. Wer SRK bei seinen frühen Bühnenshows wie Now or Never mag, oder bei seinen Auftritten bei diversen Awardshows, sollte auch diesen Film mögen. Sein Spiel ist ehrlich, ungekünstelt und noch bar jeder Zwänge, die die Zukunft birgt.

In diesem Film macht er all das, was ihm vorgeworfen wird, er overactet, spielt mit dem ganzen Körper, wirft alles, was er hat, in die Waagschale und hat dabei eine Seite in mir berührt, die ich noch nicht kannte. Sicher die ersten Minuten mit dem wahnsinnigen Amrish Puri haben mich auch schockiert, aber da muss man drüber wegsehen, das gehört in das Fach ‚indischer Humor’ und sollte nicht weiter diskutiert werden. Ich mag auch manche der deutschen Komiker nicht…  Da kommt wieder mein böser Vorspulfinger zum Vorschein.
Der Humor und die Gewaltorgien sind bisweilen schon grenzgängig, passen aber im Grossen und Ganzen ins Bild. Besonders der Vergeltungsszene am Ende sollte man nicht allzu viel Wert beimessen, die Inder haben ein direkteres Verhältnis zur Rache als wir und ein Nationalgefühl, das wir so nicht kennen. Die Vergeltung kommt unmittelbar, besonders bei Verrat. Und doch verströmt der Film eine Leichtigkeit, als sei er wirklich in einer Nacht abgedreht worden. Er überschüttet dich mit einem Feuerwerk an Songs, Gags, Absurditäten, Gewaltexzessen und dann wieder überbordender Leidenschaft. Lebensbejahung angesichts von Chaos und Terror. Dann geht die Sonne auf, der Traum endet und die Wirklichkeit holt uns wieder ein. Zurück bleibt ein bittersüßes Lächeln…
Doch da gibt es noch weitere Schichten, die man bemerkt, wenn man das Laute ausblendet und SRK bei seinem Spiel zusieht. Er darf hier hemmungslos overacten, man brüllt vor lachen; doch dann sieht man den Schmerz in seinen Augen, hinter seinen Späßen, und das Lachen bleibt dir im Halse stecken. Denn hier ist ein Junge, der in die Stadt gekommen ist, um etwas zu erreichen, und erstmal auf der Strasse gelandet ist. Er flirtet mit dem Tod, sei es seine Krebserkrankung, sein bedingungsloser Einsatz im Kampf gegen die Bösen, ob es nun ihr Vater oder diese Karikatur von Verehrer ist. Er hat nichts zu verlieren, doch als er sich in das Mädchen verliebt, steht er ihr bei. Besonders bedeutsam ist da die Szene, als er mit sich selbst spricht, ob er wegläuft oder, sie zu befreien versucht. Das erinnert an die Szene in Baazigar, als er versucht, sich selbst zu überzeugen, dass er das richtige tut.
Der Film hat mehr Schichten, als beim ersten Mal anschauen auffällt, doch viele sind beim ersten Mal bedient und legen den Film beiseite. Er wird abgestempelt als alberner Mist. Er ist sicherlich auch Trash in Reinkultur. Doch ich kann jedem nur empfehlen, schaut ihn euch noch mal an und schiebt den allgegenwärtigen, für uns ungewohnten indischen Humor beiseite, und ihr findet viele Parallelen zu Shahrukh´s Anfängen in Bombay. Gleich am Anfang die Szene, als er auf der Straße schläft, erinnert mich, wie er auf der Suche nach Gauri im Bahnhof auf dem Boden geschlafen hat, so gut wie pleite durch die Stadt gelaufen ist, auf der fast aussichtslosen Suche nach seiner Liebe. Man sieht ihn fast vor sich, wie er da steht und hinausschreit, ‚Eines Tages herrsche ich über diese Stadt.’ Das alles findet sich wieder in diesem kleinen, unbedeutenden Film…
Ein beeindruckendes stilistisches Hilfsmittel ist die Benutzung der Nacht als Ausblendung der Wirklichkeit, wo die Unwirklichkeit übernimmt. Im Dunkeln ist alles möglich, alle Katzen sind grau. Ein Aufstand wird angezettelt im Dunkeln, der Irrsinn kocht über und mittendrin wächst behutsam eine Liebe heran, dargestellt durch die Brunnenszene, für mich eine der erotischsten Szene in Bollywood, neben der Glaswandszene in Zaamana Deewana. Für mich ist dieser Film der indische Sommernachtstraum schlechthin, eine Nacht, in der alles möglich ist, das Schlechteste und das Beste.
Kann sein, das ich das alles falsch sehe und zuviel hineininterpretiere, doch der Film ist es allemal wert, geschaut und nicht einfach in eine Schublade gesteckt zu werden. Und man darf nicht vergessen, das Ketan Mehta den Film gemacht hat, ein Regisseur, der auch Maya Memsaab und Mangal Pandey gemacht hat.
Und man sollte sich um Gottes willen den Film in Original anschauen, was die deutsche Synchro daraus gemacht hat, ist grauenhaft. Der Zauber von Shah Rukh´s Stimme ginge hier auch sonst verloren, die in jedem seiner Filme ein großer Pluspunkt ist. Sicher nicht der beste Film, doch bei weitem auch nicht der schlechteste, was auch daran liegen mag, das Shah Rukh darin spielt. Ich bin eben nicht objektiv bei ihm und werde es auch nie sein. Schaut euch den Film einfach noch mal an…

Eine weitere tolle Review zu dem Film nebst Querverweise findet ihr bei:

Mariakäfer