Beim ersten Mal dachte ich glatt, der Film geht nur eine halbe Stunde. Da haben die in dreißig Minuten eine komplette Handlung abgespult. Damals hatte ich noch keinen Schimmer von Traumsequenzen und ihrer Bedeutung im Hindifilm. Ich will schon fast ausschalten, doch dann atme ich erleichtert auf, der richtige Film beginnt erst jetzt.
Der Film von 1995 erzählt die Geschichte der beiden Freunde Suraj Singh (Shatrugan Sinha) und Madanlal Malhotra oder kurz Lala (Jeetendra) und die eigentliche Handlung beginnt mit der Geburt der beiden Kinder von Suraj und Lala, Suraj bekommt einen Sohn, Rahul (Shah Rukh Khan), Lala eine Tochter, Priya (Raveena Tandon). In ihrer Freude über die beiden Kinder versprechen sie sie einander.

Doch durch die Intrigen eines Dritten, Sundar (Tinnu Anand) werden Suraj und Lala entzweit, er sät hinterhältig Misstrauen und Hass zwischen den beiden besten Freunden, um selbst nach oben zu kommen, er lässt Lala sogar glauben, das Suraj ihn mit seiner Frau betrogen hat und für ihren anschließenden Selbstmord verantwortlich sei. Das Problem ist hier nur, das die Konfrontationen zwischen den beiden verfeindeten Lagern immer wieder für Blutvergießen sorgen, was nicht so gut ist für die Lebensqualität der übrigen Einwohner der Stadt.
Als die Zustände nicht mehr tragbar sind (wobei ich mich frage, warum sie nicht einfach eingesperrt wurden), schaltet der Polizeikommissar (Prem Chopra) den Kriminalpsychologen KD Kamdev Singh (Anupam Kher) ein, um unter Mithilfe von Shalini die beiden jetzt erwachsenen Kinder Priya und Rahul miteinander zu verkuppeln und so die beiden Familien wieder zu vereinen.
In der oben erwähnten ersten halben Stunde stellt sich KD nun blumig vor, wie die beiden sich mit ein wenig Starthilfe unsterblich ineinander verlieben und ihre Väter durch Androhung gemeinsamen Selbstmordes dazu zwingen, die Waffen niederzulegen. Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.

Aber die Realität bringt KD schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. So einfach, wie er sich das ausmalte, geht es nicht, Liebe lässt sich nicht erzwingen. Zum einen können sich Rahul und Priya erstmal gar nicht ausstehen und dann soll Priya mit Sundars bescheuertem Sohn Bobby verheiratet werden, der sich damit endgültig seinen Platz an Lalas Seite sichern will. KD packt Rahul bei seiner Wettleidenschaft und bringt ihn so dazu, mit Priya zu flirten, was dieser auch gekonnt meistert. Nach einer scheinbaren Entführung, mit der sich Priya von Rahul vor der Hochzeit retten lässt, fliegt KD’s Plan auf. Suraj verspricht Lala, seine Tochter zurückzubringen und stöbert sie in ihrem Versteck auf. Er bringt Priya zurück und Bobby zieht los, um KD für seine Einmischung zu bestrafen. KD landet halbtot im Krankenhaus und Sundar schickt seinen Sohn los, um den Rest auch noch zu erledigen und so den Zeugen zu beseitigen und dem Galgen zu entgehen. Als Priya Wind davon bekommt, bringt sie KD mit Rahuls Hilfe in Sicherheit. Erst als nun KD seinen aberwitzigen Plan aufgibt, die Liebe herbei zu zwingen, hat dieses zarte Pflänzchen eine Chance, zwischen dem unbekümmerten Rahul und der eleganten, aber schnippischen Priya sachte zu keimen, was in einem höchst erotischen Liebessong zum Ausbruch kommt. Doch beide Väter reagieren vorhersehbar auf die Liebe ihrer Kinder, die sie lieber tot sehen würden, als miteinander verheiratet. Zumindest verspricht Lala, seine Tochter nicht gegen ihren Willen zu verheiraten. Sundar reagiert panisch auf die Absage und eröffnet Priya, das er die ganze Zeit ihre Mutter in seiner Gewalt hatte und sie töten würde, wenn sie nicht seinen Sohn heiratet. Priya muss sich entscheiden…
Die ersten Minuten der Pseudohandlung sind ganz lustig und als Persiflage der eigentlichen Handlung gedacht, aber man ist erst mal froh, wenn man merkt, das dieses kariöse Süßholzgeraspel nur eine Fantasie von KD ist. Sie ist aber eindeutig zu lang. Man sollte sich das Stück allerdings in Hindi anhören, SRK in Reimen deklamieren zu hören, hat was. Von den weißen Klamotten fang ich erst gar nicht an zu reden…
Leider bleibt der ganze Film zu seicht, um dramatisch genug für diese Romeo und Julia entliehene Handlung zu sein (der Film hat allerdings nur ähnliche Ansätze, es ist keine Romeo und Julia Film!). So baut sich die Spannung erst im letzten Drittel auf. Die Handlung zwar nicht wirklich neu, aber eigentlich interessant und spannend, es hätte ein wirklich guter Film dabei rauskommen können. Doch leider vermischt Ramesh Sippy zu viele Genres und konstruiert eine zu abstruse Handlung, die anstrengend zu verfolgen ist, da auch die offensichtlichsten Dinge umständlich erklärt werden. Die Rückblenden sind einfach zu langatmig, unterbrechen die Handlung und nehmen der Geschichte so den Schwung. Das der Film nicht ganz so schlecht ist, wie er klingt, liegt an den beiden Hauptdarstellern, die gut miteinander harmonieren. Die erst gespielten und dann immer ernsthafter werdenden Flirtereien zwischen den beiden machen Spaß und retten den Film vor gähnender Langeweile.

Shah Rukh darf in dem Film eigentlich alles tun, was er am besten kann, die Heldin ärgern und umflirten, mal romantisch und dann wieder heroisch sein, sich prügeln und dabei ein paar Glasscheiben zu Scherben verarbeiten. Die Glaser in Indien dürften ihn lieben.
Ich zumindest liebe ihn in diesem Film. Er overacted so herrlich und hat auf Motorrad oder Pferderücken sichtlich seinen Spaß. In den romantischen Szenen ist er mal wieder anbetungswürdig, in diesen Augen möchte man einfach versinken. Dabei fehlt natürlich auch nicht der Wet Sari Song, und nass und mit diesem Blick ist er nichts für schwache Herzen.
Raveena Tandon spielt selbstbewusst und frisch, sie überzeugt als Schauspielerin und Tänzerin und bildet ein gutes Gespann mit Shah Rukh, so dass man ihnen die Liebesgeschichte abnimmt. Priya weiß, was sie will und wie sie es bekommt. Dabei ist sie sich auch nicht zu schade, Rahul zu benutzen. Mal was anderes als immer die händeringenden, alles hinnehmenden Heldinnen im Hindifilm.
Anupam Khers Auftritt ist anfangs einfach nur albern und peinlich, ich habe zwar des Öfteren Probleme mit dem indischen Humor, aber das hier ist einfach zu viel des Guten. Als er dann im Laufe der Handlung ernster wird, wirkt er nicht mehr glaubwürdig. Wenn man ihn aus früheren, ernsteren Rollen kennt, fragt man sich, warum er in diese Comedyschiene gerutscht ist.
Die beiden Väter Jeetendra und Shatrughan liefern eine solide Darstellung ab, wirken aber allzu gestelzt und klischeehaft. Tinnu Anand ist wie immer herrlich fies, mit diesem Gesicht konnte er wohl einfach nur diese Sorte Rollen spielen, aber er macht das Beste daraus. Und sein Sohn ist so richtig schön hassenswert.
Ich mag die Songs, aber gerade am Anfang mit seiner Zeitrafferhandlung werden drei kurz hintereinander verbraten. Eigentlich schade, denn sie sind sehr schön. Die beiden Versionen von For ever and ever sind zwar kitschig und voller Klischees, aber so romantisch. Die erste Version nicht ganz ernst gemeint, die zweite ein typisches um die Bäume jagen, aber Herzschmerz pur. Und wie gesagt, Shah Rukh in weiß, mein armes Herz…
Die Parodie mit Anupam in Frauenkleidern ist zum Schiessen, er tanzt richtig gut und dieses Medley ist nicht schlecht. Allerdings dürften die beiden Papas mit Blindheit geschlagen sein, um sich von Anupam verführen zu lassen.
Mit Zamaana Deewana Ho Gaya beginnt die eigentliche Handlung und zeigt Rahul, wie er wirklich ist. Aufgeweckt und keinem Streich abgeneigt. Eine eingängige Melodie und Shah Rukh nass im schwarzen Unterhemd, bin grad wieder gestorben…
Soch Liya Maine ist ein typischer Flirtsong vor bewusst gefakten Kulissen, in dem Shah Rukh mal wieder nass sein darf und mit dem Feuer spielt.

Rok Take So Rok ist mit der Entführung aus dem Serail ein einziges Bollywoodklischee mit einer mitreißenden Melodie, und Shah Rukh in diesen Ethnoklamotten einfach too good. Ich liebe ihn mit Tüchern um den Kopf.
In Zamaane Ko Ab Tak tun Rahul und Priya noch so, als wären sie verliebt, um KD dazu zu bringen, die Handschellen zu lösen. Der Song ist frisch und zeigt eine witzige Kabbelei mit vollem Körpereinsatz zwischen den beiden aneinander geketteten Protagonisten.
Der erste richtige Liebessong ist dann Yeh Hai Mera Faisla, bei dem sich Rahul und Priya ihrer Liebe das erste Mal bewusst werden, inklusive schmachtender Blicke und bedeutungsschwangerer Requisiten, während im Hintergrund eine Hochzeitsgesellschaft singt.

Der absolute Höhepunkt ist allerdings Ab Hai Neend Kisi Ab Hai Chain Kahan. Als ich dieses Lied als Video sah, wollte ich diesen Film haben. Egal welche Fassung. Ein gekonnter Kunstgriff Bollywoods, um die Zensur zu umgehen und dabei erotischer als jede direkte Sexualität. Rahul und Priya werden von KD getrennt und in zwei Zimmer gesperrt, nur verbunden durch eine halbdurchsichtige Glasscheibe und einen Holzzaun. (Überhaupt ist dieses ganze Haus ein architektonisches Prachtstück). Draußen regnet es natürlich, die beiden müssen ja nass werden. Das Lied ist so was von nicht jugendfrei, mit einem nassen, sich auf einem Bett windenden SRK, der tränenreiche Blicke durch den Holzzaun wirft oder die Heldin durch die Glasscheibe anschmachtet, der reine Wahnsinn und Grund genug, sich den Film zuzulegen. Sagte ich schon, das SRK mit abendlichen Stoppeln einfach zum Anbeißen sexy aussieht?
Wow, tief durchatmen. Mein Fazit, ich mag den Film trotz seiner offensichtlichen Mängel und für die nervigen oder langatmigen Szenen gibt’s den Vorspulknopf. Es gibt genug Drama und Action, tolle Song und Tanzszenen, teils intensive schauspielerische Leistungen und zum Ende zu einen recht spannenden Höhepunkt, inklusive sich prügelnden und blutenden SRK. Herz, was willst du mehr. Ein Muss für Fans, für gelegentliche Gucker nicht unbedingt geeignet.