Manchmal ist der Tod der einzige Weg zur Erlösung, der Freiheit von einer Obsession.

Diese Geschichte ist so schlicht und alt wie die Welt, voller gekränktem Stolz, vergeudeter Liebe und verpassten Gelegenheiten.
Devdas (Shah Rukh Khan), Sohn eines reichen Zamindar, kehrt nach Beendigung seiner Studiums in London nach Hause zurück. Sein strenger Vater hatte ihn als Kind aus dem Haus geschickt. In der Zeit ist seine ehemalige Spielgefährtin und Nachbarstochter Paro (Aishwarya Rai) zu einer Schönheit herangewachsen. Sie liebt Devdas seit ihren Kindertagen und wünscht sich nicht sehnlicher, als ihn zu heiraten. Sichtbarer Ausdruck ihrer Liebe ist eine kleine Öllampe, die sie auch über die Jahre der Trennung stets am Brennen hält. Doch die Standesdünkel von Devdas’ Eltern stehen zwischen ihnen und Devdas hat nicht die Kraft und den Mut, sich für Paro und gegen seine Eltern und die gesellschaftlichen Normen zu entscheiden. Er reist nach Kalkutta und schreibt Paro einen Brief, in dem er sie bittet, ihn zu vergessen. Als er seinen Fehler erkennt und nach Hause zurückkehrt, hat die gekränkte Paro der Heirat mit einem reichen älteren Witwer mit erwachsenen Kindern zugestimmt. Sie verlässt mit ihrem Mann sofort nach der Hochzeit ihr Elternhaus. Als Devdas begreift, das er mit ihr den Inhalt seines Lebens verloren hat, kehrt er nach Kalkutta zurück und sucht nach einer Möglichkeit, den Schmerz in seinem Herzen zu betäuben. Ein Freund führt ihn im Kurtisanenviertel ein, wo er Chandramukhi (Madhuri Dixit) begegnet, die sich sofort in den abweisenden, schroffen jungen Mann verliebt. Doch er macht auch Bekanntschaft mit dem Alkohol, der ihn zeitweise seinen Verlust und Schmerz vergessen lässt. Sie päppelt ihn nach seinen exzessiven Alkoholabstürzen wieder auf, doch retten kann sie ihn nicht. Seine Reise ins Nirgendwo beginnt…

Bei den ersten Malen, als ich Devdas schaute, erschlugen mich die Bilder, visuell und akustisch, und Shah Rukh Khans Darstellung. Die englischen Untertitel machten es nicht leichter. Bei diesem Film tut es mir besonders leid, nicht Hindi zu können, um auch die Poesie der Sprache zu genießen. Der Grund, warum ich mir diesen schwergewichtigen Film überhaupt so früh zulegte, war eine Songeinstellung in Chalak Chalak, als Devdas das erste Mal Blut hustend zusammenbricht. Sein Blick, so verständnislos und gleichzeitig trotzig und doch so ergeben in sein Schicksal, hat mich einfach umgehauen. Doch erst, nachdem ich den Roman gelesen und mir Dilip Kumar’s Devdas angeschaut habe, beginne ich so langsam, diesen Charakter und sein Handeln oder auch Nichthandeln zu verstehen.

Sanjay Leela Bhansali’s Devdas ist die neunte Adaption des bengalischen Romans von Saratchandra Chatterjee, und ist mit seiner Gesamtproduktionszeit von sechs Jahren eine Inszenierung visueller Opulenz und ästhetischer Erotik, die ihresgleichen sucht. Und doch benutzt er die visuellen Effekte größtenteils, um die drei Hauptfiguren hervorzuheben, sei es die jungfräuliche Schönheit von Parvati, die verführerische Weiblichkeit von Chandramukhi oder die erotische Mystik von Devdas. Die Kamera verliebt sich regelrecht in sie.
Shah Rukh Khan war der Devdas für Bhansali, er sah in seinen Augen die tief innewohnende Schwermut und den unterschwelligen Zorn des Schauspielers und nutzte dies für seinen Devdas. Kein anderer hätte das so überzeugend und unter die Haut gehend spielen können.

Detailverliebt überträgt Bhansali eine schlichte Geschichte auf spektakuläre Sets und Außenkulissen, er malt die Poesie auf die Fußböden, verwebt sie in opulenten Kostümen und verbreitet sie in unzähligen Lichtern, deren Schein sich mal in den Kristallen der Deckenleuchter, mal im nächtlichen Fluss oder im reichen Schmuck der Frauen bricht. Ein Stück Stoff, das über das Gesicht des Helden fährt, ist sinnlicher und erotischer als jeder offene Antrag.

Spoiler
Ähm ja, ich denke, inzwischen weiß jeder, das Devdas sich systematisch und wissentlich zu Tode säuft. Eigentlich stirbt er an einer Leberzirrhose, aber im Grund an seinem gebrochenen Herzen. Shah Rukhs Devdas stirbt an dem Verlust der beiden wichtigsten Beziehungen in seinem Leben. Der verweigerten Liebe und Anerkennung seines Vaters und dem Verlust seiner Jugendliebe. In beiden Fällen erkennt er seine Schuld und nimmt sie auf sich, doch ist der Verrat an Paro letztendlich der Verrat an sich selbst. Er hat sich selbst verloren und damit kann er nicht leben. Der Rauswurf seiner Mutter aufgrund seiner intriganten Schwägerin ist der letzte zerschnittene Faden, der ihn am Leben hielt. Nicht einmal die Liebe von Chandramukhi hält seinen Weg nach unten auf. Aber es ist seine Reise und seine Interaktion mit den Menschen um ihn herum, was einen so bleibenden Eindruck hinterlässt.

Bhansali hat die Buchvorlage in einigen Dingen großzügiger ausgelegt als seine Vorgänger, so gewährt er den Nebenfiguren in seiner Version mehr Raum. Devdas Vater und Schwägerin, Paros Mann und Schwiegersohn werden hier zu echten Handlungsträgern und ziehen eine Menge Antipathie auf sich. Während im Roman die Verantwortung für sein Schicksal alleine bei Devdas liegt, überträgt Bhansali einen Teil der Schuld auf andere. Shah Rukh vertiefte einiges davon durch seine Improvisationen am Set, vor allem in den Szenen, die sich um seinen Vater drehen. Devdas versucht zwar, sich gegen seinen Vater zu behaupten, doch ist sein Zorn ohnmächtig und richtet sich gegen sich selbst.
Shah Rukh Khan legte seinen Devdas auch ein wenig anders an als all seine Vorgänger, von denen er sich nicht beeinflussen ließ. Hält sich Dilip Kumar in seiner Darstellung streng an die Buchvorlage, bringt Shah Rukh auch in seinem Untergang trotz aller Erniedrigung einen gewissen heroischen Stolz in seiner Figur zum Ausdruck. Er geht zwar wissentlich unter, aber das mit trotzigem Stil. Das wird vor allem in der Szene offensichtlich, als Devdas nach der Beerdigung zu Paro sagt, Komm mit mir. Doch sie kann nicht, so gibt er ihr das Versprechen, noch einmal zu ihr zu kommen, bevor er stirbt. Denn schon da ist ihm klar, es gibt kein Zurück mehr. Und doch ist er stark in seiner Schwäche.

Doch stark im wahren Sinne sind in Devdas die Frauen, die aktiv werden, wohingegen der Held passiv bleibt. Es ist Paro, die Devdas mitten in der Nacht aufsucht und um seine Hand bittet, es ist Chandramukhi, die seinetwegen ihren Beruf aufgibt und in ihrer Beziehung die Initiative übernimmt. Parvati und Chandramukhi sind die beiden Pole in Devdas Leben. Bei Paro verliebt er sich in die Unschuld, das Ideal der Weiblichkeit, sie bleibt unerreicht für ihn, während Chandramukhi die echte Frau ist, die Frau, in die er sich wirklich verliebt. Doch auch hier schafft er es nicht, die Standesdünkel abzustreifen und zu ihr zu stehen, er kann nur sagen, Wenn wir uns im nächsten Leben wieder sehen, wird nichts uns trennen können. Er kann beide Beziehungen nicht vollziehen. Er sucht Paro in Chandramukhi und als er Paro bittet, mit ihm davonzulaufen, sucht er Chandramukhi in ihr. Devdas drückt beiden Frauen seinen Stempel auf, Paro direkt, indem er sie körperlich verletzt und zeichnet, und Chandramukhi, als sie ihr Leben für ihn ändert. Doch während sich Devdas im Buch nur eine Begegnung der beiden so gegensätzlichen Frauen vorstellt, bringt Bhansali sie zusammen und stellt sie auf eine Bühne, eine Stufe.

Aishwarya Rai spielt die Paro einfach großartig. Wenn sie mich in anderen Filmen nicht so überzeugt, hier tut sie es. In der ersten Hälfte ist sie oft schnippisch und kindisch, in der zweiten dann ganz Aristokratin in ihrem Auftreten. Und sie ist einfach schön in diesem Film. Madhuri Dixit hat es schwer in den Szenen mit Aish, doch in ihren Szenen mit Shah Rukh ist sie unübertroffen, diese sind durch die wechselnden Stimmungen von Devdas auch viel gehaltvoller. Ihrer beider Chemie ist einfach wunderbar. Devdas Szenen mit Paro, in denen er sie kaum berührt, sind von ätherischer Sinnlichkeit, meist spielt auch der Mond eine Rolle, während seine Szenen mit Chandramukhi von handfester Erotik und greifbarem Verlangen erfüllt sind. Diejenige, die er anfassen will, kann er nicht berühren und jene, die er nicht berühren will, fasst er an. Bei Shah Rukhs Devdas ist auch die sinnliche Beziehung zu Chandramukhi offensichtlicher, zwischen ihnen knistert es sichtlich. Ihre Welt ist eine andere als die Reine von Paro, eine Welt, die ihn gleichzeitig abstößt und fasziniert. Paro betet er an, Chandramukhi liebt er.

Ist Shah Rukh in der ersten Hälfte manchmal noch allzu typisch der jugendliche Lover, zeigt er in der zweiten Hälfte, was für ein Schauspieler er ist. Shah Rukhs Devdas hat einen gemeinen Zug, ist oft impulsiv und tut unerwartete Dinge, wie auf der Beerdigung seines Vaters, die seltsam unreif oder unüberlegt wirken, aber im Kontext wieder stimmig sind. Devdas verletzt Menschen, die ihm helfen wollen, und damit im Grunde sich selbst. Seine betrunkenen Szenen sind nicht einfach betrunkene Szenen, sie sind eine Inszenierung. Der Schauspieler Shah Rukh Khan tut nichts ohne Überlegung, nicht einmal dabei, sich besoffen wie ein Schwein auf ein Bett zu legen. Er sagt zwar häufig, er mache kein method acting, doch hier tut er es. Ob er nun auf wackligen Beinen eine Treppe runterfällt oder hustend auf der Strasse zusammenbricht. Er ging sogar soweit, dass er vor jeder dieser Szenen anfing zu trinken. Nur soweit, das sich seine Augen und sein Gang veränderte, er aber nicht die Kontrolle über die Szene verlor. Dies müssen schlimme Monate für ihn gewesen sein.

Auch die restlichen Charaktere sind gut besetzt. Kirron Kher als Paros Mutter hat eine ergreifende Tanzszene in dem Krishna/Radha Song. Sie ist eine ehemalige Tänzerin und tanzt auf Wunsch von Devdas Mutter in dem Glauben, die Hochzeit ihrer Kinder wäre schon perfekt und erniedrigt sich damit unwissentlich. Brisant ist, das Devdas gleichzeitig in ungemein erotischen Bildern Paro am Fluss verführt. Wobei dahin gestellt bleibt, was wirklich passiert. Jackie Shroff spielt Devdas Freund Chunilal, der ihm den Weg nach unten zeigt und zum Ende unwissentlich den Schierlingsbecher reicht, wunderbar lärmend und doch einfühlsam, und Ananya Khare als Devdas Schwägerin Kumud ist so richtig schön hassenswert.

Der Soundtrack von Devdas ist wie der Film ein traditionell indisches Kunstwerk mit wunderschöner Choreografie. Wieder mal darf Madhuri zeigen, wie gut sie tanzen kann und dass auch noch in solch überwältigenden Kostümen. Sie tanzt einfach mit dem ganzen Körper, inklusive Händen und Füßen.
Manchmal denke ich, Bimal Roys Devdas und der von Bhansali hätten sich in der Mitte treffen sollen. Der eine ist zu schlicht und schwerfällig, der andere zu opulent und verliert manchmal die Figuren aus dem Auge. Eine gute Mischung aus beiden hätte Shah Rukh ein Podium gegeben, unsterblich zu werden. So wird seine Darstellung manchmal vom Äußeren erdrückt und die Subtilität genommen. Seine letzten sinnträchtigen Szenen in dem Zug auf der Fahrt nach nirgendwo hingegen sind wunderbar schlicht und konzentrieren sich auf den Schauspieler, nichts lenkt ab. Nur das vom nahen Tode gezeichnete Gesicht Devdas und sein schon unfokussierter Blick, der wirklich weh tut, füllt den Bildschirm.

Devdas hat Opfer gefordert. Er ist der bis dato teuerste Film der Hindifilmgeschichte, er hat in seiner Umsetzung Menschenleben gekostet, selbst Shah Rukh hat für diesen Film Blut vergossen, als er sich in einer Szene an der Hand verletzte. Doch auch mental hat er von allen Beteiligten viel verlangt, und er verlangt es noch heute von seinem Publikum. Devdas ist ein Film, der den Zuschauer frustriert. Man möchte die Darsteller am liebsten in den Hintern treten für all diese versäumten Gelegenheiten. Devdas und Paro’s Trennung erfolgt nur aufgrund ein paar verletzender Worte, alles andere sind Ausreden. Mit Chandramukhi hätte er glücklich werden können, in einer anderen Zeit und einer anderen Gesellschaft. Doch richtig nachvollziehen kann man all das nicht. Das einzig Konsequente, was Devdas tut, ist sich zu Tode zu saufen, da beweist er ironischerweise ein Durchhaltevermögen, das ihm sonst abgeht. Shah Rukhs intensive Darstellung nimmt uns mit zu diesem seelischen Bodensatz, in dem er sich mitleidig suhlt. Jede folgende Szene wird schlimmer, bis man am Ende nur noch denkt, lass ihn endlich seinen Frieden finden. Doch selbst das bleibt Paro und Devdas verwehrt.

Am Ende stirbt er allein unter Fremden, ohne eine liebende Hand, die ihm ein letztes Mal über die Stirn streicht und die letzte Träne trocknet, während Paro verzweifelt schluchzend vor dem verschlossenen Tor zusammenbricht. Die ewige Flamme ihrer Liebe verlöscht mit Devdas‘ letztem krampfhaften Atemzug. Niemand hat einen solchen Tod verdient.

I object…