Wer bei diesem Film ein deja vu haben sollte, keine Angst, es könnte stimmen. Absichtlich oder nicht ist English Babu Desi Mem ein Remake des 1961´er Films Es begann in Neapel mit Sophia Loren und Clark Gable, allerdings finde ich die indische Variante besser.
Ich mag diesen Film. Trotz all seiner Schwächen mag ich ihn ganz einfach. Das ist nicht rational erklärbar. Solche Filme haben für mich alles, was Bollywood und Shah Rukh Khan ausmacht und sind der Grund für meine Sucht. Ich konnte lachen, weinen, mitleiden und schmachten, und darum mag ich auch solche kleinen, eigentlich bedeutungslosen Filme von Shah Rukh. Doch eine Bitte, auch wenn ich mich langsam wie eine gesprungene Schallplatte anhöre, schaut ihn euch im Original an. Shah Rukhs Englisch mit indischem Akzent ist in diesem Streifen einfach zum Niederknien göttlich.

Shah Rukh Khan taucht in dem Film von 1996 gleich in drei Rollen auf. Er spielt zum einen Hari Mayur, Erbe eines Londoner Imperiums, der von seinem Vater Gopal (ja, auch Shah Rukh Khan) standesgemäß verheiratet werden soll. Hari ist allerdings das schwarze Schaf der Familie, da er mehr Wert auf seine hindustanischen Wurzeln legt und flieht nach Indien. Sein kleines Flugzeug stürzt allerdings vor der Küste ab, er gilt als vermisst und wird nach vergeblicher Suche für tot erklärt. Doch Atariya und ihre kleine Schwester Bijuriya finden den Schwerverletzten und pflegen ihn gesund. Als Hari herausfindet, dass er für tot gehalten wird, belässt er es dabei und heiratet seine Retterin. Er erzählt auch niemanden von seiner Herkunft und Familie. Kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes kommt es jedoch zu einem Brand in ihrem Viertel, bei dem beide verletzt werden. Atariya bringt das Kind auf die Welt und stirbt unmittelbar danach, Hari folgt ihr, da er ohne sie nicht mehr leben kann. Der kleine Junge Nandu soll in ein Waisenhaus, doch Bijuriya weiß das zu verhindern und zieht ihren Neffen mit Hilfe ihres väterlichen Freundes Madadgar (Saeed Jaffrey) auf. Sie verlässt die Schule und tanzt, erst auf der Strasse und später in einem Nachtclub, um sich und den Jungen durchzubringen.

Acht Jahre später, aus Nandu (Sunny Singh) ist ein niedlicher und pfiffiger Bengel geworden, der alle mit seinem Charme um den Finger wickelt, und aus Bijuriya (Sonali Bendre) eine attraktive junge Frau, findet Madagar durch das Cover auf einem Magazin heraus, das Hari einen jüngeren Bruder hat, Vikram (Shah Rukh Khan), der nun höchst erfolgreich das Imperium in London leitet. Britisch orientiert hält er von Indien und seinen Wurzeln rein gar nichts, dem er u.a. dem Land den Tod seines Bruders anlastet, er ist versnobt und arrogant bis zum Abwinken. Da er an einem Besuch des Landes seiner Vorfahren keinerlei Interesse hat, lockt Madadgar ihn unter einem Vorwand nach Indien und unterbreitet ihm, dass er einen Neffen hat. Vikram ist der Meinung, dass alles auf der Welt mit Geld zu regeln sei, und so geht er auch seinen Vorsatz an, seinen Neffen nach London zu holen. Erst als er begreift, welch starke Bindung zwischen Bijuriya, die Nandu mit viel Liebe und Selbstlosigkeit großgezogen hat, und dem Kind besteht, wird ihm bewusst, das man Gefühle nicht kaufen kann. Bei dem Versuch, die beiden zu trennen, verliebt er sich in Bijuriya, will es allerdings nicht wahrhaben. Doch so langsam kommt der Inder in ihm wieder zum Vorschein, so wie der britische Akzent sich immer mehr verliert. Seine wachsende Liebe zu Bijuriya und Indien steht dabei im Konflikt zu seiner westlich orientierten Erziehung und Einstellung und er beginnt, seinen Bruder zu verstehen…
Das Thema des Films kreist also im Großen und Ganzen um die Bedeutung der Familie, den Wert von familiären Bindungen sowie die kulturelle Entwurzelung und den Verlust der Identität so genannter NRIs.

Sicher ist English Babu Desi Mem von Praveen Nischol in seiner Vorhersehbarkeit kein Meilenstein in der Karriere von Shah Rukh Khan, der damals schon auf dem Weg zum Superstar war. Man sieht dem Film sein kleines Budget an, vor allem an den Kulissen und dem Fehlen ausländischer Drehorte, auch fallen die Songeinlagen weniger spektakulär aus als gewohnt. Doch es gibt schlechtere Filme und unterhaltsam ist er allemal. Allein schon wegen Shah Rukh und seiner spitzen Zunge. Hier kann er mit seinem jungenhaften Charme und einigen ziemlich frechen Einzeilern glänzen. Sein Humor darf sich mal richtig austoben. Sonali Bendre macht eine recht gute Figur neben ihm, ist in ihren beiden Rollen, einmal in der eigentlich unrealistischen Mutterrolle sowie in der Rolle der sexy Tänzerin aber so klischeeüberfrachtet, dass sie nicht viel Spielraum hat. Herzergreifend spielt sie aber auf jeden Fall. Auch der kleine Sunny Singh spielt trotz Schwächen ganz überzeugend und behauptet sich souverän gegen seine beiden Filmpartner. Und er ist so was von knuddelig, man muss ihn einfach gern haben. Man merkt auch, dass Shah Rukh einfach gut kann mit Kindern, seine Szenen mit dem Jungen sind großartig.

Der Schwachpunkt ist halt, dass nichts Neues oder Überraschendes kommt, man weiß praktisch am Anfang schon, wie es ausgehen wird. Und das nimmt ein wenig die Spannung aus dem Film. Und alles passiert dann auch so, wie es passieren muss, ob es nun passt oder nicht. Das ist an sich nicht weiter schlimm, aber es hätte manchmal einfach origineller und unverkrampfter umgesetzt werden können. Die Logiklöcher lass ich jetzt mal außen vor, die gehören einfach zu Bollywood in dieser Zeit. Bei einigen Filmen muss man eben einfach mal die Logik auf Urlaub schicken und einfach genießen.
Warum Nischol aber zum Ende noch mal mit aller Gewalt Action in den Streifen bringen wollte, ist mir rätselhaft. Vielleicht gab es damals ein ungeschriebenes Gesetz, wie mit dem Tanzen. Da hieß es einfach, jetzt muss geprügelt und geblutet werden. Und das auch noch richtig schön ausgedehnt und total unlogisch. Shah Rukh im Alleingang gegen ein ganzes Schiff bewaffneter (!) Söldner. Besser inszeniert und zelebriert als so mancher Tanz. Aber na ja, seien wir mal ehrlich, schauen wir Shah Rukh da nicht ganz gerne bei zu? Der Mann hat seinen Körper einfach im Griff und macht auch aus einer Prügelszene (inklusive der obligatorischen Spiegelscherben) eine Choreographie.
Leider bleibt damit ein schön romantischer Schluss des Films auf der Strecke. Da hätte ich mir schon ein wenig mehr Ausführlichkeit gewünscht.

Ach ja, Shah Rukh. Ohne ihn wäre der Film nicht sehenswert. Er ist einfach süß als unbedarfter Hari und dann wieder so schön arrogant und versnobt als Vikram. Man kann einfach nicht anders als zu lachen. Viele Szenen, die von ihm getragen werden, sind einfach wunderbar durchgeknallt und frech. Sei es seine Lästerzunge über Indien, seine obligatorische Prügelszene, als er Bijuriya vor den bösen Jungs retten muss oder die Szenen, wenn er sich mit Sonali kabbelt. Auch wenn schauspielerisch nichts neu sein sollte, hat er doch sichtlich Spaß an beiden Rollen und darf sein ganzes Repertoire an Ausdrücken auffahren. Diese Rollen liegen ihm einfach und so wechselt er spielerisch zwischen Komik und Dramatik, Arroganz und Romantik. Besonders erwähnenswert die Szene, als Vikram angetrunken ist und Bijuriya Vorhaltungen macht. Diese Augen. Hach. Hab ich schon erwähnt, dass ich den Film liebe?
Ich gehe eigentlich kaum auf die Kostüme ein, die Shah Rukh so in seinen Filmen trägt, doch hier hatte Gauri Khan mal wieder ihre Finger im Spiel. Ähm, bei allem Respekt, ich bin froh, das Karan den Job übernommen hat, denn das sollte sie lassen. Die Klamottenauswahl ist vor allem in den Songs teilweise schon etwas krass.
Die Songs sind zwar nichts Spektakuläres, machen aber durchweg Spaß und passen zur Handlung. Am besten gefiel mir dabei Dhol Baje Khuddam mit Hari, ich liebe Shah Rukh im Ethnolook. Die Songs von Sonali im Club sind ganz unterhaltsam und teils auch erotisch, wenn Shah Rukh ins Spiel kommt. Schön tragisch für das Tränchen im Augenwinkel ist dann Nandus Song Na Tere Bina, auch wenn die Stimme nicht zu einem achtjährigen passen will. Aber die Logik macht ja gerade Urlaub, wie wir uns erinnern. Kaise Mukhde Se hat mir dann wieder Gänsehaut verpasst und wirkt wunderbar als emotionaler Auftakt zum Höhepunkt.
Trotz aller Mängel, die für mich nicht so gravierend sind, ist English Babu meiner Meinung nach ein Film, den man gesehen haben muss, er ist sowieso für jeden Fan unerlässlich und immer wieder unterhaltsam.