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February 1, 2019

Der Ruhm ist sein untrennbarer Schatten, manchmal vor ihm, manchmal hinter ihm… doch immer um ihn herum. Seine Fans sind es auch. Unerschütterlich, unermüdlich, standhaft. Drei Jahrzehnte und mehr, die Maschinerie Shah Rukh Khan weigert sich, langsamer zu wer-den. Seine Energie entspricht der Begeisterung seiner Fans, sein Charme umwirbt nach wie vor die Frauen und inspiriert die Männer auf der ganzen Welt. Was motiviert ihn jetzt mit intaktem Starruhm, sich als Schauspieler herauszufordern. Fan, Dear Zindagi, Raees und jetzt Zero sind Beweise seiner Experimente mit dem Handwerk. Er genießt die Reise. Jede Rolle trägt zu seinem kreativen Katalog bei, jede Rolle entsteht aus dem Chaos der Unvollkommenheit… auf der Suche nach Vollkommenheit. Nach Zero ist er jetzt erpicht darauf, als Rakesh Sharma in einer filmischen Biographie über den berühmten Astronauten abzuheben. Und den Himmel zu regieren… wieder einmal.

Ihre Karriere geht jetzt über mehr als drei Jahrzehnte. Wie sehr haben Sie sich als Schauspieler verändert?
Als ich in der Branche Fuß fasste, hielten mich die meisten Journalisten für rüde und arrogant. (Lacht) Ganz wie Bauaa in Zero. Wenn ich meine früheren Aussagen lese, bin ich nicht verlegen. Aber ich kann verstehen, warum ich sie machte. Ich habe Dinge gesagt wie, ‘Ich bin kein Junkfood, ich bin Tandoori Chicken’. Oder, ‘Ich bin gekommen, um zu herrschen, nicht um beherrscht zu werden.’ Ich war nicht arrogant. Mir fehlte es an Wissen über das Hand-werk. Im Laufe der Jahre begriff ich, wie wenig ich wirklich über die Schauspielerei wusste. Als ich wenig wusste, sagte ich viele Dinge. Doch nun, wo ich mehr weiß, begreife ich, dass es da so viel mehr zu wissen gibt. Es bleiben nur noch wenige Jahre. Ich kann eine Milliarde Dinge finden, um sie als Schauspieler zu tun. Natürlich mag ich nicht das Potential haben, das Talent, die Zeit oder den Ruhm, während die Jahre vergehen. Doch es mangelt nicht an dem Wunsch, besser zu werden. Jetzt beginne ich mit der Arbeit an der Biographie des Astronauten Rakesh Sharma.

Erzählen Sie uns was darüber.
Es ist eine Geschichte über eine reale Person. Daher liegt die Herausforderung darin, wie ich dieser Person Achtung erweise. Kopiere ich ihn? Ahme ich ihn nach? Kriege ich die Emotionen richtig hin? Oder spiele ich ihn anders mit seiner Erlaubnis? Leider reduzieren wir die Schauspielerei mitunter aufs Singen, Tanzen und Kämpfen. Ich blicke nicht darauf herab. Aber ich wünschte, ich hätte gewusst, dass es da so viel anderes gibt. Daher ja, als Schauspieler kann ich jetzt vieles besser machen.

Ist das Publikum im Laufe der Jahre kritischer geworden?
Sie müssen immer wieder unterschiedliche Geschichten erzählen. Sollte ich, da Chak De! India gut lief, damit fortfahren, denselben Film zu machen? Das bedeutet, auf Nummer sicher zu spielen. Als Künstler können Sie nicht immer wieder dasselbe Bild malen. Keiner von uns hatte Chak De! India gemocht, als er fertig war. Doch das Publikum mochte ihn. Die Leute hatten den Titel Dilwale Dulhania Le Jayenge abgelehnt… doch der Film läuft immer noch. Ebenso hatte, als wir in Cannes waren, einer der Kritiker Devdas als einen ‘protzigen, übertriebenen und vulgären Film’ beschrieben. Doch allen gefiel er. Sie wissen es also nie. Was wichtig ist, kann ich eine Geschichte erzählen, welche die Herzen der Menschen berühren wird? Wenn etwas Ihr Herz berührt, werden Sie es nicht beschimpfen, selbst wenn Sie es nicht mögen.

Heute erfolgen die Reaktionen des Publikums auf einen Film sofort…
Anders als früher vernehmen Sie die Reaktionen aufgrund der sozialen Medien sofort. Das Publikum beginnt noch vor den Kritikern mit der Bewertung. Ich weiss noch, dass ich an dem Samstag nach dem Start von Dil zu Pagal Hai (1997) mit Yashji (Chopra) in den Meh-boob Studios war und er zu mir sagte, ‘Sohn, der Film läuft nicht gut. Den Kritikern hat er nicht gefallen.’ In seinem Großmut sagte er, dass er sich entschuldigen wolle. Wir riefen Adi (Chopra) an und der sagte, wartet bis Montag, Dienstag.
Dann drehte ich im Mehboob Studio für King Uncle (1993), als Deewana (1992) herauskam. Rakesh Roshan sagte, “Arre yaar, Deewana läuft.” Ich sagte, “Ja, hab ich auch gehört.” Dann ging ich nach Hause und Onkel Salim (Khan) winkte mir von seinem Balkon zu. “Bhai, dein Film läuft. Ich bin beim Friseur gewesen und jemand fragte nach einem ‘Shah Rukh Khan’ Haarschnitt,” sagte er. So erfuhr ich nebenbei die Reaktionen auf meinen Film. Doch heute sagen die Leute sogar die Einspielergebnisse voraus.

Sie haben mit Regisseuren von Yash Chopra bis hin zu Aanand L. Rai gearbeitet. Gibt es irgendeinen anderen Regisseur, mit dem Sie arbeiten möchten?
Ich habe gerne mit Mani Ratnam gearbeitet. Das hat Spaß gemacht. Er wollte, dass ich Baavan mache. Doch damals war ich gebunden. Außerdem war es ein zweisprachiger Film. Das fand ich schwierig. Herr Aanand ist jemand, mit dem ich gerne wieder arbeiten würde. Mit ihm möchte ich allerdings einen Actionfilm machen. Sanjay Leela Bhansali ist lustig. Es ist lange her, seit ich seine Art Film gemacht habe. Er hatte mich gebeten, einen zu machen, doch da war ich mit Zero beschäftigt. Unter den neuen Leuten wäre es nett, mit Rajkumar Hirani zu arbeiten.

Suhana wurde mit Ihnen auf den Sets von Zero gesehen. Plant sie auch, ins Filmgeschäft einzusteigen?
Nein! Ja, sie will spielen, davor muss sie aber noch drei, vier Jahre lernen. Im Moment spielt sie in London Theater. Ich hoffe, dass sie in die Staaten wechselt. Sie kam im Rahmen der Schauspielausbildung her. Sie musste auch einige Zeit auf Filmsets verbringen. Einiges davon absolvierte sie mit Gurinder (Chadha) in London. Wir drehten ein Lied; ich wollte, dass sie Katrina (Kaif) und Anushka (Sharma) zuschaut, weil die beiden solch unterschiedliche Schauspielerinnen sind. Katrina hat ihren eigenen Charme, und Anushka hat ihre eigene Art zu spielen. (Lacht) Doch statt dessen haben sie sie mir als Regieassistentin aufgedrückt, da-mit ich pünktlich bin. Sie sagte dann, ‘Papa, die Einstellung ist bereit.’ Sie muss erst mal ihre Ausbildung abschließen. Ausbildung formalisiert und verbessert Ihr Handwerk. Sie will auf die Bühne, Straßentheater machen… es gibt viele Gelegenheiten auf der ganzen Welt. Ich schätze, in Indien lernen wir nicht die Schauspielerei. Wir nehmen einfach an, dass wir Ta-lent haben.

Einige Ihrer Filme sind ihrer Zeit voraus gewesen, wie Asoka, Swades…
(Lacht) Es ist am besten zu sagen, dass ein Film seiner Zeit voraus ist, wenn er floppt. Das ist die beste Entschuldigung, die Sie haben. Swades fiel durch, als er herauskam. Doch im Rück-blick sprechen alle darüber, dass er ein schöner Film sei. Vielleicht war er seiner Zeit voraus, da wir jetzt seine Relevanz begreifen und würdigen. Doch damals war es ein Film mit Shah Rukh Khan und Ashutosh Gowariker nach Lagaan. Die Leute gingen in der Erwartung rein, einen spannenden Film wie Lagaan zu sehen. Doch wir gaben ihnen was anderes. (Lächelt) Abgesehen davon sind einige Filme schlecht gewesen. Wenn sie nicht gut waren, sind sie nicht gut gelaufen.

Wie sehen Sie die Bedeutung von VFX im Hindi Kino?
VFX muss in Indien in den Vordergrund rücken, um die Geschichten im Film besser zu erzählen. Wir machen die meisten Filme. Wir unterstellen, dass wir die besten Filmemacher in der Welt sind. Doch das neue Publikum, die jüngere Generation, wird in Bezug auf Optik und Musik nicht nachsichtig sein. Das liegt daran, dass sie es gewohnt sind, wunderbare internationale Veröffentlichungen auf ihren Handys zu schauen. Selbst in kleinen Städten wachsen die meisten Kinder mit all diesen Filmen auf. Sie könnten eine Entschuldigung wie ‘Hindi Kino ist halt so’ nicht verzeihen. Wir müssen die letzte Generation sein, die einen schäbigen Film sehen wird. Die Leute glauben, dass VFX nur für Filme wie Baahubali benutzt werden sollte. Doch das stimmt nicht. VFX muss für die kleinsten Filme verwendet werden. Die Regisseure sollten sich bereit erklären, VFX zu verwenden, um ihren Erzählkunst zu verbessern.

Zu guter Letzt, was hält Sie als Künstler in Schwung?
Ich bin als Künstler unvollständig. Wäre ich das nicht, würde ich nicht arbeiten wollen. Wa-rum sollte ich morgens aufstehen und weiter versuchen, etwas zu tun? Ich bin ruhelos als Künstler. Ich denke immer darüber nach, wie kann ich als Schauspieler und Produzent was Neues reinbringen. Wenn Sie glauben, dass Sie vollkommen sind, sind Sie langweilig. Die Reise ist wichtig.
Ich sehe eine Leistung als Meilenstein und nicht als Endstation. Doch ich plane es nie. Ich berechne nicht, dass ich soviel verdienen oder so viele Preise gewinnen sollte oder dass ich so viele erfolgreiche Filme machen sollte. Es ist organisch. Wenn Sie so lange beim Film arbeiten wie ich, werden die Details unwichtiger. Sie können das Ergebnis des Films nicht voraussagen, egal wie sachkundig Sie sind. Ich finde, dass ich immer weniger zum Experten werde. Das ist der Grund, warum ich die Filme, die ich tue, gerne tue, weil ich in diesem Film nicht auf der Suche nach einem Ende bin. Nach 25 Arbeitsjahren glaube ich, dass das Glück Ihrer Kunst der einzige Grund ist, warum Sie arbeiten sollten.