Kann man eine Rezension über Fauji schreiben? Sollte man das überhaupt, braucht das jemand? Aber da ich so liebevoll und nachdrücklich darum gebeten wurde, werde ich mich mal hinsetzen und meine Gedanken dazu niederschreiben. Vorher aber… Moment… muss ich meine rosarote Brille putzen, die lag so lange im Schrank, brauchte sie eine Weile nicht. So, nun geht’s los…

Fauji (Soldat) ist nicht nur eine Serie, sie markiert den ersten Auftritt eines zukünftigen Superstars in einem Medium, das sein Sprungbrett auf die Leinwand darstellen sollte. Shah Rukh Khan, heute Superstar in Indien, bekam mit Fauji den ersten Vorgeschmack zukünftigen Ruhmes, als er sich bereits mit dieser ersten Rolle in die Herzen der Menschen spielte. Die Leute auf der Strasse begannen ihn wieder zu erkennen und aus Mumbai kamen die ersten Angebote. Es ist wirklich interessant, ihn hier völlig unbedarft und noch ballastfrei vor der Kamera agieren zu sehen, wie er ausprobiert und dennoch schon eine Ausstrahlung besitzt, die ihn aus der Masse hervorstechen lässt.
Objektiv betrachtet ist Fauji eine recht laienhaft gemachte Serie übers Militär mit einer überschaubaren Handlung, die wie das Projekt von Erstsemestern wirkt und doch war sie 1988 der Straßenfeger in Indien. Sie sollte eigentlich dazu dienen, den jungen Männern die Armee wieder schmackhaft zu machen und dank Shah Rukh ist das wohl auch gelungen.

Ein Trupp Jungoffiziere absolviert einen Kurs an der Militärakademie, einer von ihnen ist Abhimanyu Rai (Shah Rukh Khan), ursprünglich einer von vielen. Die Hauptrolle sollte eigentlich die seines älteren Bruders Vikram Rai darstellen. Doch die Kamera verliebte sich unversehens in Shah Rukh Khan, die wachsende Popularität der Serie und vor allem die unerwartete Beliebtheit des debütierenden Schauspielers taten ihr Übriges und der Fokus verschob sich auf die Rolle des Abhi. Die Episoden wurden immer mehr auf ihn zugeschnitten.
Es ist eigentlich alles vorhanden, Komödie und Dramatik, Romantik und Action, es gibt die üblichen Konflikte einer Soap Opera, Konflikte unter Kameraden, mit den Vorgesetzten, unter Verliebten. Nicht besonders hilfreich ist, dass Abhis Bruder Vikram einer der Ausbilder ist, der die Jungs doppelt triezt. Und Abhi liefert ihm mit seiner flapsigen und anfangs oft allzu unbekümmerten Art auch jede Menge Steilvorlagen. Doch er tut alles, um dem älteren Bruder zu beweisen, dass auch in ihm ein guter Soldat steckt. Denn der war von Anfang an dagegen, dass sein kleiner Bruder Soldat wird. Natürlich kommt auch die Liebe ins Spiel, als er sich in die ranghöhere Ärztin Madhu verliebt, die ihm buchstäblich in die Arme fällt, und anfängt, ziemlich unbeholfen mit ihr zu flirten. Doch als ein Konflikt mit Pakistan ausbricht, müssen die Jungs bei einem lebensgefährlichen Einsatz zeigen, was sie gelernt haben. Doch nicht alle werden zurückkommen…

Bei allen technischen Schwächen der sehr realistisch wirkenden Serie ohne irgendwelche Hochglanzszenen sollte man nie vergessen, wann sie gedreht wurde und unter welchen Umständen. Westliche Serien aus diesen Jahren sind auch nicht viel ansehnlicher. Sicher könnten Ton und Bild besser sein, die Kulissen prächtiger, die Dialoge geschliffener, die Kameraführung ruhiger, der Schnitt professioneller, die Tricktechnik ausgefeilter, doch mit den damaligen Möglichkeiten und finanziellen Mitteln war dies wohl das Beste, was machbar war. Und die damaligen Zuschauer waren es zufrieden und sahen eh nur das einzig Wichtige, genau wie heutige Zuschauer, die die Serie zumeist nur aus einem Grund schauen: Shah Rukh Khan. Er drückt jeder Szene seinen eigenen Stempel auf, man sieht zwar, dass er noch unerfahren und ungeschliffen ist, doch auch das Potenzial, das in ihm steckte. Sein Charme überstrahlt alle Unzulänglichkeiten, seine jugendliche Energie alle Banalitäten.
In dieser Serie wie auch in den ersten Filmen spielt Shah Rukh einfach natürlich, ohne seine nervöse Energie zu unterdrücken oder sich um ungeschriebene Regeln zu kümmern. Mit ein Grund, warum ich seine frühen Filme so mag, er ist da noch so er selbst, als ob er mal eben von der Strasse vor die Kamera tritt und schnell eine Szene abdreht. Und doch beweist er zum Ende hin eine Ernsthaftigkeit und erwachsene Reife, die schon den älteren Schauspieler durchblitzen lässt. Diese Reife hat wohl auch die Hersteller der Serie überrascht, die den Jungen unterschätzt haben und andere Produzenten auf ihn aufmerksam gemacht. Auch in Stuntszenen machte Shah Rukh eine unerwartet gute Figur und stand selbst beim Fallschirmsprung seinen Mann. Und er musste sie überzeugen, war er doch nur der Ersatzmann, da der eigentlich vorgesehene Schauspieler, der Sohn des Produzenten, verhindert war. Schon hier begann das Phänomen der zweiten Wahl, das Shah Rukh einige Zeit begleiten sollte.

Man darf die Serie einfach nicht mit unseren westlich beeinflussten Augen sehen, sondern muss sich in Zeit und Raum der achtziger Jahre in Indien versetzen. Die Fokussierung auf das Wesentliche und das Fehlen allen störenden Schnickschnacks macht die Handlung sehr realistisch und glaubhafter als so manchen Film. Die Kampf- und Actionszenen mögen tricktechnisch unzulänglich sein, doch sie sind für die Umstände sehr spannend. Und ich finde es einfach ansprechend, hin und wieder die Alltagsgeräusche im Hintergrund zu hören, wie ein weinendes Kind im Krankenhaus. Und spätestens, wenn Abhi in Rekonvaleszenz mit einem vor Trauer starren Gesicht eine einzelne Träne vergießt, blutet auch das letzte Herz. Shah Rukh hatte damals einfach schon alles im Blut, was ihn später zum Superstar machen sollte.
Doch bei aller Konzentration auf Shah Rukh darf man die anderen Darsteller nicht ganz übergehen. Sicher werden sie gnadenlos überstrahlt, doch sie sind nicht schlecht. Die anderen Jungs in der Truppe schaffen es, echten Teamgeist rüberzubringen und eine Handlung zu tragen, die eigentlich zu dünn ist, um mitzufiebern. Jeder ist wichtig, jeder darf mal im Mittelpunkt stehen, jeder hat seine Geschichte, die ausgeleuchtet wird und sie alle zusammen machen den Höhepunkt trotz allen Pathos erst so richtig mitreißend und unter die Haut gehend.

Fazit: Ohne rosarote Brille gehört die 13teilige Serie eigentlich auf den Schrotthaufen der Filmgeschichte, doch ein strahlendes Juwel darin verhindert das. Man muss sie nicht gesehen haben, außer, man ist ein Fan von Shah Rukh Khan, dann ist es sogar unabdingbar, sie sich anzusehen, um seine Anfänge zu kennen. Dies ist unverzichtbar, um den heutigen Schauspieler und Star besser zu verstehen.