Kabhi Alvida Naa Kehna, oder auch KANK, an dem Film scheiden sich die Geister und ich selbst weiß immer noch nicht, ob ich den Film nun wirklich mag oder nicht. Obwohl man hier gar nicht von mögen sprechen mag. Das hat nichts mit der Qualität des Films zu tun oder dem Schauspiel der Hauptdarsteller, die durch die Bank weg sehr überzeugend spielen, sondern einfach mit dem ungewohnten Thema und dessen Umsetzung, was den Film sehr speziell und nicht unbedingt massentauglich macht. Auch nicht förderlich ist, dass Shah Rukh hier so überzeugend spielt, das man ihm den gescheiterten Mann, der verbittert und zynisch mit Frau und Kind umgeht, ohne Zögern abnimmt und er nur wenige Sympathiepunkte sammelt.
Dev Saran (Shah Rukh Khan), erfolgreicher Profifußballer mit Aussicht auf einen lukrativen Vertrag, ist mit seiner Jugendfreundin Rhea (Preity Zinta) verheiratet, die nicht weniger erfolgreich bei einem Modemagazin arbeitet. Sie haben einen kleinen Sohn, Arjun. Doch ihre Ehe ist für beide unbefriedigend. Das wird noch schlimmer, als ein Unfall Devs Karriere beendet. Gegenseitige Vorwürfe prägen ihre Beziehung, während Dev in dem Gefühl, auf der ganzen Linie versagt zu haben, immer zynischer wird. Er arbeitet als Trainer einer Kindermannschaft, doch nicht mal sein Sohn will Fußball spielen, sondern lieber Geige. In dieser verfahrenen Situation trifft er wieder auf Maya (Rani Mukherjee), die Frau, die er am Tag ihrer Hochzeit und kurz vor seinem Unfall kennen gelernt hatte. Damals machte er der unentschlossenen Braut Mut, ihren Freund aus Kindertagen, Rishi Talwar (Abhishek Bachchan), zu heiraten. Rishi ist der Sohn von Samarjit Sing Talwar (Amitabh Bachchan), der Rhea nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufgenommen hatte, die beiden sind wie Geschwister aufgewachsen. Und das ist wohl auch das Hauptproblem dieser Ehe, die unerfüllt bleibt, sie kann keine Kinder bekommen und sieht in ihrem Mann noch immer ein Kind, und so kommen Dev und Maya ins Gespräch über ihre jeweiligen Beziehungen und wie man diese retten kann. Dabei verlieben sie sich ineinander, wollen aber ihren Partnern nicht wehtun und ihren Ehen noch eine Chance geben. Vor allem will Dev seinen Sohn nicht verlieren. Doch eine gemeinsame Nacht ändert alles.

KANK (2006), produziert von Dharma Productions unter der Regie von Karan Johar, ist ein für Bollywood sehr mutiges Ehedrama, dass das Konzept der Ehe auf den Prüfstand stellt und vor allem das Thema Scheidung sehr unüblich, da liberal behandelt. Vor allem aber stellt der Film die Frage, die den Film Dil To Pagal Hai weiterführt, was tust du, wenn du deinen Seelenverwandten erst triffst, wenn du bereits verheiratet bist. Hier haben die Protagonisten zwar ihre Jugendfreunde geheiratet und Freundschaft mit Liebe gleichgesetzt (wie in Kuch Kuch Hota Hai), doch die wahre Liebe trafen sie erst später.
Da der Film auch handwerklich überzeugt und eher westlich orientiert ohne übertriebene Gefühlsdarstellungen daherkommt, war er vor allem im Ausland sehr erfolgreich. Karan ist in seinen Dialogen sehr direkt und kommt schnell auf den Punkt, was auch eher unüblich ist. Und doch fehlen nicht die Romantik, die Farbenpracht und überbordende Lebendigkeit des indischen Kinos, die vor allem in den Songs zum Ausdruck kommen.
Überraschenderweise nimmt der Humor einen großen Stellenwert in KANK ein, das hätte man eingangs nicht erwartet. Der ganze Plot mit dem Black Beast, Devs Szenen im Krankenhaus, Sams Frauengeschichten, die angebliche Affäre von Rishi und Rhea, die Szene im Möbelhaus, Maya als Domina, all das lockert die Handlung auf und nimmt ihm den belehrenden Charakter.

Karan stand nach seinen beiden erfolgreichen Filmen Kuch Kuch Hota Hai und Kabhi Khushi Kabhie Gham einer ungeheuren Erwartungshaltung von Seiten seiner Fans in der ganzen Welt gegenüber und wählte doch ein ganz anderes Thema. Zwar eine klassische Vierecksgeschichte, nur das hier die Figuren verheiratet sind. Hatte er vorher die erste Liebe glorifiziert, demontiert er nun seinen Helden Rahul und macht einen ganz normalen Mann mit all seinen Fehlern und Schwächen daraus. Dies kam nicht überall gut an, obwohl der Film alles hat, was Bollywood ausmacht, nur eben eine Spur moderner und realistischer. Dabei helfen auch die Drehorte, die größtenteils in den USA liegen, so wurde in New York, Philadelphia und Jersey gedreht. Die Kulissen sind durchweg sehr modern und stylisch, wirken wie aus einem Hochglanzmagazin. Allerdings möchte ich das nicht in noch mehr Filmen sehen, denn der indische Touch rückt dabei immer mehr in den Hintergrund, auch wenn New York wie ein Dorf wirkt, so oft, wie sich die Figuren über den Weg laufen.

Dazu holte er sich einen Starcast, der seinesgleichen sucht. Vater und Sohn Bachchan, Shah Rukh Khan, Preity Zinta und Rani Mukherjee. Die Besetzung stand so allerdings nicht von Anfang an fest. Zuerst sollte Kajol die Rolle der Maya spielen und Rani die Rhea, doch Kajol lehnte ab, da sie für Fanaa unterschrieben hatte. Sie machte allerdings ein Cameo in dem Song Rock’N Roll Soniye. Ajay Devgn sollte ursprünglich die Rolle des Rishi spielen, doch auch er lehnte ab. Arjun Rampal taucht in einer Nebenrolle auf und John Abraham ist kurz als DJ zu bewundern. Selbst Karan ist gegen Ende einmal kurz im Bild. Und diese Besetzung trägt den Film mühelos.
KANK war der erste indische Film, den ich auf großer Leinwand sehen durfte, auf der Buchmesse 2006, als auch Karan anwesend war. Dieses Erlebnis prägt sicher auch meine Einstellung zu diesem Film, die nicht ganz objektiv sein kann. Allein die Einführung der Figuren muss man auf einer Kinoleinwand erlebt haben. Devs Einstand als Fußballer, ähnlich wie Rohans in K3G, die Glamouröse von Rhea und die Farbenprächtige von Maya, all das erschlägt den Zuschauer erst mal und lässt auf großes Kino hoffen. Anspielungen auf DDLJ in der Szene mit den beiden Kindern, als Tujhe Dekha angespielt wird, zaubern ein Lächeln auf die Gesichter und die Unfallszene lässt uns das Blut in den Adern gefrieren. Noch heute zucke ich bei dieser Szene zusammen.
Wie schon erwähnt, ist Shah Rukh hier in einer eher weniger sympathieträchtigen Rolle zu sehen, die er aber höchst überzeugend spielt. Und er spielt diesmal wirklich, in dieser Rolle steckt nichts von ihm, außer vielleicht sein Charisma, das selbst hier überwältigt. Da tut einem seine Frau und sein kleiner Sohn schon manchmal leid, wenn sie seinen Zynismus zu spüren bekommen. Seine Frau kann ihm ja kaum etwas recht machen, alles bekommt er in den falschen Hals. Sein Sohn wirkt wie ein Blitzableiter, dem er einfach seine Liebe nicht zeigen kann. Wie sehr er den Jungen liebt, ist jedoch sichtbar, wenn er ihn zum Beispiel auf dem Bahnhof aus den Augen verliert. Und doch kommt der Humor nicht zu kurz, auch wenn er meistens ungewollt kommt und einen verbitterten Unterton hat.

Der gut versteckte Romantiker in ihm kommt in den Szenen mit Rani zum Vorschein. Erwachsen, verhalten und dann wieder wunderbar humor- und liebevoll haben die beiden die schönsten Szenen des Filmes miteinander. Sei es die Bettszene in aller Öffentlichkeit, die Bettszene im Geheimen (eine der erotischsten Szenen, die ich je gesehen habe), die ‚I like blue’ Szene oder ihr Wiedersehen nach langer Trennung. Doch auch hier kann der sich selbst verachtende Dev nicht aus seiner Haut und das verleiht dem Ganzen eher noch mehr Realismus und macht diese Liebesgeschichte nachvollziehbar. In Maya findet er endlich einen Menschen, der ihn trotzdem liebt.

Die Frauen haben wieder mal die starken Rollen in dem Film. Rani Mukherjee wird endlich mal schauspielerisch gefordert und spielt engagiert und sehr überzeugend. Preity Zinta schafft es wunderbar, gegen Shah Rukh standzuhalten, sie hat einige starke Szenen mit ihm. Anders als üblich steht bei ihr nicht unbedingt die Familie im Vordergrund, sie hat durchaus Ambitionen, sich selbst zu verwirklichen. Abhishek Bachchan hat die Tänze bekommen, die Shah Rukh diesmal rollenbedingt verwehrt bleiben. Er spielt den frustrierten Ehemann einfach großartig, mit einer Wutanfallszene, die unter die Haut geht. Man sieht, wie sehr er sich beherrschen muss, um seiner Frau nichts anzutun, also zertrümmert er die Einrichtung, denn er liebt sie wirklich.
Das ist der Kernpunkt der Geschichte, Rishi und Rhea lieben ihre Partner, sie fallen buchstäblich aus allen Wolken, als sie von dem Seitensprung erfahren. Sie wissen zwar, dass die Liebe ihrer Partner nicht der ihren entspricht, aber das haben sie nicht erwartet. Nur Sam, Rishis Vater, ahnt etwas, was bei Devs Fastgeständnis beim Dinner zur Gewissheit wird. Er macht sich Vorwürfe, da er Maya zur Ehe mit seinem Sohn gewissermaßen gedrängt hatte.

Arjun Rampal als Rheas Chef und Kiron Kher als Devs Mutter spielen kleine, aber wichtige Nebenrollen, die die Handlung mittragen. Vor allem Kirons Szenen mit Amitabh sind wunderbar, wenn Sam nachdenklich wird und seine aufgesetzte Unbekümmertheit ablegt. Kirons Entscheidung, nach der Trennung bei Rhea und ihrem Enkel zu bleiben, ist auch erfrischend unüblich.
Von dem ganzen Soundtrack hat mir Mitwa am besten gefallen, vor allem durch die gelungene Umsetzung. Ein Lied, das einfach zum Mitsingen einlädt. Und Shah Rukh und Rani werden einfach wunderbar in Szene gesetzt.
Der erste Teil von Kabhi Alvida Naa Kehna kommt als eingängiges Titellied gleich im zweiten Teil des Vorspanns, nach dem ersten Treffen von Dev und Maya und hat ein sehr abruptes Ende. Rock’N Roll Soniye mochte ich nicht so sehr, diese große Einlage wirkt eher störend und Shah Rukh muss beim Tanzen zusehen. Kein Wunder, das er so griesgrämig guckt. Einziger Pluspunkt ist Kajol, aber ohne Shah Rukh verschwendet. Tumhi Dekho Na ist dann wieder Dev und Mayas Song, mit wunderbar wechselnden Farbenspielen und einer schönen Melodie.

Überraschend ist die Umsetzung von Where’s The Party Tonight, das auf zwei Ebenen spielt. Auf der einen Seite Rishi und Rhea, die die Wiederbelebung ihrer Beziehungen feiern und auf der anderen die schuldbeladene Liebeszene mit Dev und Maya, was dem ganzen eher eine tragische Note verleiht.
Wunderbar melancholisch und passend dann die lange Version von Kabhi Alvida Naa Kehna, mit ihren symbolträchtigen Bildern. Die lange Leidenszeit der Trennung von Dev und Maya anschaulich in einem Lied umgesetzt.

KANK mag kein großes Gefühlskino sein, da der Zuschauer eher losgelöst vom Geschehen bleibt und die ganze Kulisse weitgehend steril, doch ist er ein wichtiger Film, der ein zeitgemäßes Thema aufgreift. Ein erwachsener Film, der die heiklen Probleme, die er aufwirft, vielleicht nicht tief genug verfolgt und etwas oberflächlich löst, aber wenigstens anspricht. Kein Film, der nur unterhalten will, es aber dank des passend eingesetzten Humors tut. Hier sind keine perfekten Traumgestalten die Helden, sondern vier ganz normale Menschen mit all ihren Fehlern und Schwächen, Stärken und Vorzügen. Karan hat Figuren geschaffen, in die man sich einfühlen kann und keiner davon den schwarzen Peter zugeschoben. Da Dev und Maya verlassen werden, anstatt selbst zu verlassen, balanciert die Waagschale der Sympathie wieder aus.
Gut finde ich auch das Ende, das ohne peinlichen Kitsch oder Heulszenen daherkommt. Sicher war es unfair, das Dev und Maya nichts von der jeweiligen Scheidung des anderen wussten, doch diese räumliche Trennung der beiden läuterte sie, tat den verletzten Gefühlen der Betrogenen Genüge und erst danach waren sie bereit, zusammen zu finden. Auch wenn dahin gestellt sein mag, wie harmonisch ihr Eheleben wohl ablaufen wird.