King Uncle gehört zu den Filmen, die in Shah Rukhs Filmographie leider meistens untergehen. Dabei ist dieser solide Familienfilm vor allem wegen Jackie Shroff sehenswert, auch wenn er sicher kein Juwel unter den Hindifilmen ist. Shah Rukh ist hier das Sahnehäubchen und als jüngerer Bruder von Jackie die ideale Besetzung, eine Rolle, der er sich gewachsen zeigt. Ich mag die beiden einfach zusammen. Sie setzten ihre Zusammenarbeit in Trimurti und One 2 Ka 4 fort, beides Filme, die ich mir aufgrund ihres gelungenen Zusammenspiels immer wieder anschaue.
King Uncle erinnert ein wenig an Der kleine Lord, ein Film, den ich auch sehr mag und immer mal wieder zu Weihnachten schaue. Hier ist es diesmal ein kleines Mädchen, das das verhärtete und verbitterte Herz eines unverbesserlichen Griesgrams erweicht.

Der Film erzählt die Geschichte dreier Geschwister, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie leben im palastartigen Haus des ältesten Bruders Ashok, einem reichen Industriellen, der es allein von ganz unten nach oben geschafft hat. Nur ist dabei leider aufgrund eines Kindheitstraumas, das später aufgeklärt wird, sein Herz auf der Strecke geblieben. Geld ist für ihn alles, Gefühle oder gar Liebe zählen nicht. Seine jüngeren Geschwister Anil (Shah Rukh Khan) und Sunita haben unter seiner Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit zu leiden. Als Anil nach dem College zurückkehrt und sich nicht davon abbringen lässt, seine langjährige Liebe, die arme Waise Kavita (Nagma) zu heiraten, stellt Ashok in vor die Wahl. Anil entscheidet sich gegen den Wohlstand und für seine Liebe und verlässt das Haus und damit erst mal die Leben seiner Geschwister und die Handlung des Films.
Auf der anderen Seite lässt sich Ashok blenden und verheiratet gedankenlos seine Schwester Sunita, die heimlich einen seiner Angestellten liebt (Viveck Vaswani hier in einer liebevollen kleinen Nebenrolle) mit dem Mitgiftjäger Mallik (Dalip Tahil), der sie nur heiraten will, um in Reichweite von Ashoks Geld und Einfluss zu kommen. Dieser betrügt sie schamlos vor ihren Augen, schlägt und behandelt sie wie eine Sklavin, als er frustriert feststellt, dass sie doch nicht den Schlüssel zu Ashoks Imperium darstellt. Doch sie hat nicht die Stärke Anils, sich gegen ihren Bruder und später gegen ihren Mann zu wehren.

Ashok bleibt nun allein in seiner (protzig ungemütlichen) Villa zurück und redet sich ein, dass ihn das überhaupt nicht stört, sind ja genug Möbel da. Bis bei einem imageaufpolierenden Besuch eines Waisenhauses in Begleitung der Medien die kleine Munna (Pooja Ruparel) in sein Leben platzt, buchstäblich.
Dieses Waisenhaus ist so klischeeüberfrachtet, das es schon fast lächerlich anmutet. Zerlumpte, hungrige und frierende Kinder, die trotz ihres Elends munter singend durch den Schnee hüpfen und die alkoholabhängige, geldgierige Leiterin Shanti, die zudem noch mit einem Kleinkriminellen liiert ist und die Kinder drangsaliert.
Die aufgeweckte Munna sieht ihre Chance gekommen, dem Elend zu entfliehen und nistet sich nach und nach in Ashoks Haus, Leben und Herz ein. Dessen anfängliche Abwehr hat keine Chance gegen die Liebenswürdigkeit und Hartnäckigkeit der Kleinen und so taut Ashok langsam aber sicher auf. Sie nennt ihn liebevoll King Uncle und schafft es, mit ihrer ungebrochenen Zuversicht, Heiterkeit und Liebe in das ungemütliche Haus zurückzubringen und Ashok den Glauben an die Liebe. Die innere Entwicklung zeigt sich höchst anschaulich an der Änderung des äußeren Erscheinungsbildes vom eindimensional skizzierten Tyrannen zum durchaus attraktiven Helden. Er verliebt sich sogar in seine Sekretärin Fenni (Anu Agrawa), was zu einigen süßen Szenen führt.

Durch das Kind lernt er die Bedeutung der Familie kennen und schätzen. Als er sie anfangs zurück ins Heim bringt und schon nach kurzer Zeit merkt, wie sehr sie ihm fehlt, holt er sie zurück. Er beschließt, das Kind zu adoptieren und auch seine Familie wieder zu vereinen, was gar nicht so einfach ist. Sein Bruder Anil ist erst nicht auffindbar und dann nicht diskussionsbereit und sein Schwager macht Schwierigkeiten, einer Scheidung einzuwilligen, als Ashok begreift, durch welche Hölle er seine Schwester geschickt hat. Doch mit Munnas Hilfe wird er es schaffen. Ob sie jedoch bei ihm bleiben kann oder doch wieder fortmuss, wird sich erst noch entscheiden…
Der Film nimmt sich Zeit, seine Geschichte zu erzählen, wird dadurch vielleicht manchmal etwas langatmig, bringt aber genug Schwung mit, um interessant zu bleiben. Die teils überzeichnete und in unseren Augen leicht befremdliche Komik überwiegt, obwohl zum Ende hin die leider unvermeidliche Gewalt dazukommt. Der Showdown musste wohl einfach rein, auch wenn das für diesen Familienfilm etwas problematisch ist. Doch Gewalt, auch gegen Kinder, wird in Indien einfach anders gewichtet als bei uns. Die Lieder sind schwungvoll und fröhlich und unterstützen der Verlauf der Handlung, auch wenn keines davon wirklich hängen bleibt.
Die Rollen sind bis hin zu den Nebenfiguren von ausdrucksstarken Darstellern gut besetzt. Jackie Shroff ist einfach genial, allerdings musste ich beim ersten Mal zweimal hinschauen, um ihn in dem steifen, schnurrbärtigen Griesgram zu erkennen. Er spielt sehr überzeugend die Metamorphose zum liebenswürdigen, liebenden King Uncle. Seine Komik liegt in seiner Mimik und den ausdrucksvollen Augen, ohne durch allzu übertriebene Gestik zu nerven. Er passt einfach wunderbar in die Rolle, mal herrisch und drohend, mal unfreiwillig komisch und dann wieder romantisch und liebevoll.

Viveck Vaswani hatte ich schon erwähnt. Seine kleinen Auftritte in den anfänglichen Filmen von Shah Rukh sind einfach liebenswert, er spielt diese Nebenrollen unaufgeregt und unauffällig. Wer nun wem da einen Gefallen tat, ist wohl nicht ganz klar, aber er spielte zumindest zu Anfang von Shah Rukhs Karriere eine wichtige Rolle, indem er ihm die Türen in der Branche öffnete, weswegen ihm dieser auch heute noch keinen Gefallen abschlagen kann, auch wenn es für ihn wie in Dulha Mil Gaya schmerzhafte Konsequenzen hat. Doch eine echte Freundschaft ist in dem Haifischbecken Bollywood eben unbezahlbar und lebensnotwendig.
Die Rolle der Sunita bleibt handlungsbedingt etwas blass, wohingegen die Rolle von Fenni und der lebhaften Munna einfach nur sympathisch und liebenswert angelegt sind. Die Figuren der Schurken und Schurkinnen sind angemessen farbig und hassenswert, um der Handlung den nötigen Pfiff zu verleihen. Bei Gewalt gegen Kinder bin ich allerdings allergisch, das war schon grenzwertig für mich. Roshans darauf folgende, auch sehenswerte Filme mit SRK, wie Koyla und Karan Arjun, waren allerdings um vieles brutaler.
Die Hausangestellten dienen mit typisch indischem Humor als Comic Relief und sind typisch nervig. Ich bin froh, dass sich diese Angewohnheit Bollywoods doch etwas gelegt hat.

Kommen wir zu Shah Rukh. Er ist wunderbar in seiner natürlichen Ungezwungenheit im Ausdruck, die man in den meisten seiner frühen Werke findet. Und manchmal so knuffig wie ein junger Welpe, das frau ihn einfach nur in den Arm nehmen will. Hier sieht man den Unterschied zu Dil Aashna Hai sehr deutlich. In King Uncle füllt er die kleine, aber feine Nebenrolle von Jackies kleinem rebellischem Bruder mit Einsatz und Ernsthaftigkeit aus. Er tritt zwar nur am Anfang und am Ende in Erscheinung, zeigt aber schon damals, das auch kleine Rollen für ihn wichtig sein können. Es macht einfach Spaß, ihm zuzusehen, ich hätte ihn nur gern in mehr Szenen mit Jackie gesehen. Das dieser frühe Film nicht erfolgreich war, schadete seiner Karriere nicht wirklich, da im gleichen Jahr Baazigar erschien, der sowieso alles andere in den Schatten stellte und ihn zum Superstar krönte. Wie so viele Zufälligkeiten damals wurde auch dieser Film Shah Rukh und Viveck auf einer Party von Rakesh Roshan angeboten.
Apropos Rakesh Roshan. Sein Sohn Hrithik arbeitete hier als Assistant Director für seinen Vater, er gab erst sieben Jahre später sein Leinwanddebüt. Davor hatte er sich seine Sporen hinter der Kamera verdient, und wohl auch seine Muskeln.

Die Qualität des Films ist dem Produktionsjahr 1993 angemessen und wirkt sicherlich heute etwas altbacken. Doch der Charme und die Leichtigkeit sowie gutgelaunte Schauspieler machen das mehr als wett. Wenn man nicht zuviel erwartet und sich auf die Handlung einlässt, ist der Film sehenswert und unterhaltsam. Man sollte sich eben nur nicht vom Schluss irritieren lassen, sondern die unvermeidliche Brutalität einfach hinnehmen.
Ich bin auf die deutsche Ausgabe gespannt und hoffe auf eine Hinditonspur mit deutschen Untertiteln. Da bei REM Pascal Breuer die Rolle von Shah Rukh spricht, der mehr zum jugendlichen Shah Rukh passt, dürfte die Synchro annehmbar sein. Allerdings ist die Körpersprache der Schauspieler in diesem Film so ausgeprägt, das man die Untertitel oder Synchro eigentlich nicht braucht.