Wahre Liebe überwindet alle Hindernisse und reicht über den Tod hinaus. Das ist eigentlich die Kernaussage von Mohabbatein. Anschaulich erzählt mittels dreier unterschiedlicher Liebesgeschichten sowie der berührenden Geschichte einer aussichts- und zukunftslosen Liebe.

Drei Jungen treten ins Elitecollege Gurukul ein, in dem Rektor Narayan Shankar (Amitabh Bachchan) Zucht und Ordnung mit den ehernen Regeln von Tradition, Ehre und Disziplin aufrechterhält. Niemand wagt es, gegen ihn aufzubegehren, wer seine Regeln bricht, wird ohne Chance auf Anhörung der Schule verwiesen und hat mit diesem Rauswurf auch kaum noch Aussichten, in einer anderen Institution aufgenommen zu werden. Nur ein Schüler hat es bisher gewagt und die oberste aller Regeln gebrochen, er hatte sich verliebt. Ausgerechnet in Megha (Aishwarya Rai), die einzige Tochter des verwitweten Rektors. Als diese ihrem Vater ihre Liebe beichtet, handelt er sofort und gnadenlos, er wirft den Jungen raus, ohne ihn auch nur einmal zu treffen. In seinem Egoismus, die Tochter um sich zu haben und seiner Angst, sie zu verlieren, hätte er wohl jeden Anwärter auf die Hand seiner Tochter gehasst und aus ihrem Blickfeld entfernt. Megha, die beide braucht und liebt, kann sich nicht zwischen der Liebe zu ihrem Vater und der zu ihrem Geliebten entscheiden, denn einem von beiden müsste sie weh tun, sie sieht nur einen Ausweg und nimmt sich das Leben. Doch anstatt aus dieser Tragödie zu lernen und weicher zu werden, ist der verbitterte Narayan nur noch härter und unnachgiebiger geworden.

Das bekommen auch die drei Jungs Vicky (Uday Chopra), Sameer (Jugal Hansraj) und Karan (Jimmy Shergill) zu spüren, die sich prompt in die drei Mädels Ishika (Sharmita Shetty), Sanjana (Kim Sharma) und Kiran (Preeti Jhangiani) verlieben und sicher sind, dass ihre Liebe hier keine Chance hat. Doch dann taucht wie ein rettender Engel ein neuer Lehrer auf, Raj Aryan (Shah Rukh Khan), der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, mit Musik und einem Lächeln Licht und Liebe in die kalten und abweisenden Gemäuer der ehrwürdigen Institution zu bringen. Erst mit zwinkernder Listigkeit, doch später ganz offen und unerschütterlich baut er auf die Macht der Liebe und behauptet sich gegen die übergroße Figur des Narayan Shankar, mit dem er noch eine Rechnung offen hat…

Spoiler
Der Film hat ein großes Problem, alle Handlungsstränge verblassen zwangsläufig neben dem der Konfrontation von Tradition in Gestalt des Narayan Shankar und Veränderung, dargestellt von Raj Aryan. Wenn diese beiden aufeinanderprallen, schlägt es gewaltig Funken. Mit jedem Mal wird es intensiver, vor allem, als Narayan erkennt, das Raj derjenige ist, in den sich seine Tochter damals verliebt hatte. Obwohl kein Blut fließt oder Fäuste geschwungen werden, sind diese rein verbalen Blickduelle das intensivste, was ich je in dieser Art gesehen habe. Dazu kommt eine fantastische Kameraarbeit und schnörkellose Inszenierung, die nicht ablenkt, sondern sich ausschließlich auf die beiden Figuren konzentriert und die Konfrontationen mit eindringlicher Backgroundmusik untermalt.

Die drei Liebesgeschichten sind sicher interessant und nett angelegt, aber leider nicht kraftvoll und eindringlich genug, um zu berühren. So plätschert der Film erstmal mit der Einführung der sechs Charaktere daher und wird erst wieder interessant, als sich herausstellt, das Raj Aryan der Junge von damals ist, der die Schule verlassen musste. Er hat nie aufgehört, das Mädchen zu lieben und sieht sie überall da, wo es Liebe gibt. So unterstützt er die drei Jungs in ihren Bemühungen, ihre jeweiligen Herzensdamen zu gewinnen, unter der Nase und gegen den Willen des Rektors. Denn er ist überzeugt, dass auch in diesem versteinerten Herz noch ein weicher Kern stecken muss.

Was mich so beeindruckt hat, ist der Umstand, das Raj nicht zurückkommt, um den Tod seiner Geliebten zu rächen oder den Vater zu ruinieren, nein er kommt, um das Herz des alten Herrn zu berühren und zur Liebe zu bekehren, damit sie nicht umsonst gestorben ist, damit das, was ihnen zugestoßen ist, nicht noch einmal jemanden passiert. Er reicht ihm die Hand, da sie eines gemeinsam haben, sie haben beide das Mädchen geliebt. Und mit einfachen Worten, wie das er kein Bild braucht, um sich an Megha zu erinnern oder sein letzter Satz vor seinem Abgang bei der letzten Konfrontation, ‚Damals haben Sie eine Tochter verloren, heute einen Sohn’ bringen den verbitterten Mann endlich dazu, sich der Vergangenheit zu stellen und zu erkennen, was er durch seine Unbeugsamkeit und Engstirnigkeit verloren hat.

Mohabbatein war der zweite Film von Aditya Chopra als Regisseur, der es nach DDLJ schwer hatte, diesen Triumph zu toppen oder auch nur gleichzukommen. Das ist das Problem, wenn gleich der erste Film ein Klassiker wird. So hat er versucht, in seinen larger-than-life Epos im Namen der Liebe zuviel moralische Botschaften auf einmal zu stopfen und hat die Handlungsstränge ausufern lassen. Die Newcomer und ihre Geschichten mögen ja ganz nett sein, aber sie schaffen es nicht, den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen und sind bei mir daher ein Fall für den Vorspulknopf. Es reicht, wenn man sie einmal gesehen hat. Es ist einfach alles zu konstruiert und vorhersagbar, voller Klischees und Problemen, die da eben mal angesprochen werden müssen. Und doch hat der Film eben auch großartige Momente und wunderschöne Aufnahmen.

Toll sind zum Beispiel alle Szenen, in denen Aishwarya Rai auftaucht. Die immerwährende Liebe zwischen Raj und Megha kann man spüren und sehen, obwohl sie nicht mehr am Leben ist. Das ist der große Unterschied zu den anderen drei Paaren. Aish spielt die Rolle so leicht und unangestrengt, das es eine Freude ist, sie mit Shah Rukh zusammen agieren zu sehen. Ihre nur angedeutete Romantik in den Szenen im Pavillon ist eindringlicher als jede offene Flirterei.

Shah Rukh scheint in der Rolle des ruhigen zurückhaltenden Raj Aryan mit den Streberklamotten und der Brille auf der Nase völlig fehlbesetzt (ich mag allerdings seine Frisur in dem Film), doch dieser Eindruck schwindet schon in der ersten Szene mit Amitabh Bachchan. Die selbstbewusste Kraft, die hinter der harmlosen Fassade steckt, hätte den Senior eigentlich sofort alarmieren sollen. Shah Rukh spielt hier fast allein durch Blicke und eine subtile Körpersprache, die den reifen Schauspieler in ihm zeigt. Er kommt ohne die üblichen großen Gefühlsausbrüche aus und das kleine Lächeln, das scheinbar ständig auf seinen Zügen liegt, scheint sagen zu wollen, ich weiß etwas, was du nicht weißt…

Auch noch beeindruckend ist, dass in den Konfrontationsszenen zwischen Amitabh und Shah Rukh jeweils nur einer das Wort hat. Es kommt zu keinen hässlichen Schlagabtauschen, jeder kann sagen, was er zu sagen hat und bekommt dann seinen dramatischen Abgang nebst effektvollem Bangragetrommel. Sehr intensiv gespielt und neben dem Trommelsong meine Lieblingsszene ist die letzte Konfrontation zwischen den beiden, wo man nicht weiß, was man nun mehr Beachtung schenken soll, der Tatsache, das Shah Rukh in weiß gekleidet und nass ist oder seinem nonstop Dialog mit Augen, die bis in die Seele des Zuschauers zu blicken scheinen…
Wenn er seine Brille abnimmt, und so gleichsam nackt und so unglaublich verletzlich um Gnade für die Jungs bittend vor Amitabh kniet, berührt das auch das härteste Herz.

Anupam Kher wurde hier in eine komische Rolle gezwängt, die nicht ganz zu ihm passen will, ich möchte mal wissen, wer diesen tollen Schauspieler immer in diese Schublade quetschen will, in die er nicht reingehört. Seine Szenen mit Archana Puran Singh stellen den unvermeidlichen Comic Relief dar, sind aber meist einfach nur peinlich. Die sechs Newcomer haben kaum Eindruck bei mir hinterlassen, sie mögen Talent haben, doch wird das hier kaum gefordert. Es bleibt einfach alles zu oberflächlich und zu breit gefächert, um sich darauf zu konzentrieren und macht den Film langatmig. Die beiden Stars Helen und Amrish Puri haben kleine Auftritte und wirken dabei allein durch ihre Präsenz.
Die Musik von Jatin-Lalit ist durchweg überdurchschnittlich und enthält einige eingängige Songs mit Ohrwurmqualität. Dazu kommt eine meist sehr gute filmische Umsetzung, vor allem, wenn Shah Rukh mittanzen darf. Der Höhepunkt hier ist für mich eindeutig Zinda Rehti Hain Mohabbatein, als Raj Aryan mit seiner Trommel den dramatischen Abgang einfach mal selbst in die Hand nimmt und Narayan vom Platz trommelt. (Man sollte Shah Rukh öfters mal eine Trommel in die Hand geben, das einzige Instrument, mit dem er nicht albern aussieht)

Eine Wahnsinns Kameraführung, ein genialer Song, ein Text, der unter die Haut geht und zwei tolle Schauspieler, die sich ein dramatisches Blickduell liefern. Doch auch hier, als Raj das Duell gewinnt, schließt er fast resignierend die Augen, denn das ist nicht das, was er wollte. Er will den alten Mann nicht in die Knie zwingen, sondern nur zur Annahme seiner Liebe als der Schwiegersohn, der er hätte sein sollen, eine Liebe, die sie beide glücklicher machen würde. Und als Narayan all das endlich begreift und ob des Verlustes fast zusammenbricht, nimmt Raj seine Hände in die seinen und erweist ihm seinen Respekt als Sohn, während der Ältere ihm segnend die Hand auf den Kopf legt. Wunderbare Gesten für einen vollendeten Abschluss.

Übrigens wurden die Außenaufnahmen von Gurukul bezeichnenderweise Ende des Winters in England gedreht und es hatte wohl keiner den Indern gesagt, dass es da auch noch Winter ist, ergo ziemlich kalt. Man kann sich richtig vorstellen, wie die Darsteller in ihren dünnen Gewändern gefroren haben dürften, vor allem in den Szenen, die barfuss gedreht wurden. Wie Shah Rukh mal ironisch bemerkte, er hätte den Sweater lieber angezogen, als ihn so lässig über die Schultern zu drapieren. Doch diese blattlose erstarrte Umgebung mit ihrem frostigen Hauch ist einfach perfekt als Rahmen. Die Sonne, die Narayan so hartnäckig bezwingen will, ist zwar da, aber spendet keine Wärme. Das ändert sich erst in der letzten Einstellung, als Narayan, Megha und Raj endlich vereint eine neue Zukunft nach Gurukul tragen.

Ähm, Shah Rukh und die Geige. Da scheiden sich die Geister. Da ich nicht weiß, wie es richtig aussieht, stört es mich weniger. Auf jeden Fall legt er sehr viel Gefühl rein und ist nett anzuschauen. Ein Schauspieler lernt ja auch nicht, ein Flugzeug zu fliegen, wenn er einen Piloten spielt, oder?
Ich wiederhole mich mal wieder, aber diesen Film muss man im Original schauen. Shah Rukhs Stimme ist einfach unerlässlich, um diesen Film zu fühlen, all die vielen Untertöne kriegt Pascal Breuer nicht hin. Auch Amitabh Bachchans Stimme ist unverwechselbar und geht unter die Haut. Ich kann es wohl als Glück bezeichnen, das ich bis auf Main Hoon Na, den ich das erste Mal im Fernsehen sah, alle Filme von Shah Rukh zuerst nur im Original gesehen habe, auch wenn es mit den englischen Untertiteln oft anstrengend war. Ich schaue sie höchstens einmal auf Deutsch, wenn sie rauskommen, aber auch das nicht bei allen. Doch ist vor allem in Mohabbatein klar ersichtlich, wie wichtig Shah Rukhs Stimme für einen Film sein kann.
Aus diesem Film hätte sicher mehr gemacht werden können. Er hätte sich intensiver auf die Liebesgeschichte zwischen Raj und Megha und die Konfrontation zwischen Narayan und Raj konzentrieren sollen. Doch so zerfasert der Film nach der Pause und verschenkt eine Menge Potential. Doch seine starken Szenen und eine befriedigend gefühlvolle Climax machen das mehr als wett.