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THE DIAL OF THE SUN KING

In den Bolly-Spielen von Khandom könnte Raees Shah Rukh’s nächste große Chance sein. Und wenn er nicht erfolgreich ist?
„ APNA time shuru” lautet das Raees Poster, in einem straßenwirksamen, orakelhaften Ton. Aber der echte Schiedsrichter in diesen Tagen sind die Wochenendeinnahmen, und es ist ein Schicksal, das geschrieben wird, während Sie das lesen. Daher ist die Frage einstweilen offen: wird dieser lang erwartete Gangsterstreifen seine Pacht auf den Thron erneuern, oder wird es der Anfang vom Ende seiner anhaltenden Regierung an der Spitze kennzeichnen? Seit er früh in seiner Karriere eine Glückssträhne hatte — mit Darr (1993), Baazigar (1993) und vor allem Dilwale Dulhania Le Jayenge (1995) — hat es keinen Blick zurück für den 51-jährigen Shah Rukh Khan gegeben. Doch da Raees, in dem der mit einem National Award ausgezeichnete Filmemacher Rahul Dholakia die Regie führte, diese Woche weltweit in die Kinos kommt, herrscht wirklich ein Hauch von Nervosität.


Und das aus gutem Grund. Es gibt zwei sensible Punkte auf dem Graphen, auf dem Vergleiche gezogen werden. Erstens, SRKs letzte Filme haben nicht das Einspielergebnis gehabt, das sich für seine Statur ziemt. Im letzten Jahr schafften es Dear Zindagi (Rs 68 crore) und Fan (Rs 85 crore) nicht in den begehrten Rs 100-crore Klub. Und zweitens, der phänomenale Erfolg von Salman Khans Sultan und Aamir Khans Dangal bedeutet, dass man erwartet, daß King Khan mithält und einen Rs 300-crore Blockbuster liefert. Bezeichnenderweise sind ‘Rs 300 crore’ für SRK ein Gipfel, der unüberwunden bleibt. Und jetzt muss er ihn gegen den Strom schwimmend anvisieren, mit einem weiteren aus der ersten Riege Bollywoods, Hrithik Roshan, der sich rüstet, mit seiner Heimproduktion Kaabil, der am selben Tag raus-kommt, die Stimmen zu spalten.

Das ist der Grund, warum Bollywood seine Finger kreuzt und gespannt auf das Ergebnis des Films wartet, wo es am meisten zählt: dem Ticketschalter. Die Erwartungen sind bei einem neuen SRK-Film irgendwie immer sensationell hoch. Doch keiner seiner Filme hat in den letzten Jahren so viel Interesse an seinem Schicksal geweckt wie Raees. Der Film kommt mit positiven Berichten von der Vorpremiere, aber was, wenn er zu kurz greift?

“Es ist äußerst wichtig für einen großen Star, durchweg erfolgreiche Filme zu liefern. In Shah Rukhs Fall ist das in letzter Zeit nicht der Fall gewesen,” erzählt der bekannte Filmhandelsanalytiker Komal Nahta Outlook. “Er muss einen Film liefern, der erfolgreich genug ist, um alle, die damit zu tun haben, glücklich zu machen — auch die Verteiler und Aussteller, nicht bloß die Produzenten.” Nahta sagt, dass das Box Office Ergebnis von Raees umso wichtiger sei, weil sowohl Salman als auch Aamir in den letzten beiden Jahren zwei Filme gehabt haben, die mehr als Rs 300 crore einspielten. “Dangal ist in der Tat näher daran, jetzt die Rs 400-crore Marke zu erreichen.” Shah Rukhs Kurve hat in letzter Zeit eine andere Flug-bahn verfolgt.

Dear Zindagi und Fan waren beide als experimentelle Projekte bezeichnet worden, ohne die Handels-marke SRK, ihre bescheidene Ausbeute verbeulte jedoch seinen Ruf. Und es wurde schwer zu rationalisieren, gegen die Riesenerfolge der anderen beiden Khans. Dangal, der Weihnachten rauskam, läuft weiter erfolgreich, bewegt sich langsam in Richtung der Rs 400-crore Marke im Inland, um sich zum höchsten Bruttoverdiener aller Zeiten in der Geschichte Bollywoods zu entwickeln.

Sultan war keine Ausnahme in Salmans Gesamtwerk. Er unterstrich sein unbestrittenes Gewicht am Box Office im Gefolge von Bajrangi Bhaijan (Rs 320.34 crore). Auch Aamirs PK hatte Rs 339.5 crore eingespielt. Im Gegensatz hat bisher kein SRK Film die Rs 250-crore Barriere überquert, sein Chennai Express (2013) ist sein bester Film mit einem Nettoeinspielergebnis von Rs 226.7 crore.

Könnte dies endlich ‘seine Zeit’ sein? Schwer zu sagen, da die gleichzeitige Veröffentlichung von zwei Starfilmen unvermeidlich die Einnahmen teilt und den kommerziellen Aussichten beider schadet. “Der Zusammenprall zwischen Raees und Kaabil ist interessant,” sagt Nahta. “Sowohl Shah Rukh als auch Hrithik suchen nach Misserfolgen nach einem großen Erfolg. Hrithiks Mohenjo Daro (2016) mag ein Fehlschlag gewesen sein, doch Kaabil hat gute Vorpremierenberichte.”

Filmautor Rajiv Vijayakar denkt, dass sie gut daran getan hätten, ein direktes Duell zu vermeiden. “Es geht nicht nur um SRK und Hrithik. Die letzten beiden Filme des Kaabil Regisseurs Sanjay Gupta sind auch Misserfolge gewesen, während Dholakia noch einen kommerziell erfolgreichen Film liefern muss.” Aber er glaubt, dass Erfolg oder Misserfolg für einen Star von SRKs Helligkeit nicht von solchem Belang ist. “Wenn Shah Rukh nach Fan und Dilwale im Moment einen Erfolg braucht, braucht er ihn für niemand anderen als sich selbst,” sagt er. “Er gehört zu den sechs Topstars, deren Statur nicht durch Erfolge und Misserfolge beeinflusst wird. Hätte Misserfolg sie betroffen, wäre die Karriere von Ajay Devgn inzwischen beendet. Ein Erfolg ist immer gut für jeden Star, einschließlich Shah Rukh. Alles, was er tun muss, ist, sich seine Filme sorgfältig auszusuchen.”

Es ist auch nicht fair, den Erfolg von Raees vor dem Hintergrund von Dangal und Sultan zu sehen, glaubt Vijayakar. “Während der Ära von Amitabh Bachchan gab es so viele andere Helden daneben, von Dharmendra und Sanjiv Kumar bis hin zu Vinod Khanna und Rishi Kapoor, ohne einander beim Box Office Stand zu beeinträchtigen.” Viele in der Industrie denken, dass Raees, Shah Rukhs erster Hardcore Film seit Dilwale (2015), seine beste Wahl für diese schwer fassbare Rs 300-crore Marke ist.

Shah Rukh ist zusammen mit Aamir und Salman ein Teil des Triptychons gewesen, das in der Ära nach Bachchan über Bollywood geherrscht hat. Und es war Shah Rukh, der mit Erfolgen wie DDLJ, Dil Toh Pa-gal Hai (1997), Kuch Kuch Hota Hai (1998), Devdas (2002), Kal Ho Naa Ho (2003) und vielen weiteren die Führung übernahm. Erst in den letzten fünf Jahren oder so schien der Thron des Königs zu wanken, wegen der mittelmäßigen Leistung von Filmen wie Ra.One, Happy New Year und Dilwale. Im letzten Jahr lieferte sogar Akshay Kumar Rs 100-crore Hits (Airlift/Rs 129 crore, Rustom/Rs 127.42 crore und Full House 3/Rs 107.7 crore) in schneller Folge. Doch SRK berührte diese Marke nicht mal — dieser Tage die Niedrigschwelle des Erfolgs für jeden Film mit einem großen Star.

Es war eigentlich Aamir, der mit Ghajini 2008 den Rs 100-crore Trend startete. Seitdem hat er viermal mehr als 200 erreicht – neben Dangal und PK spielten sein Dhoom 3 (2013) und 3 Idiots (2009) Rs 280.25 crore bzw. Rs 202 crore ein. Salman hatte Kick (Rs 233 crore 2012) und Prem Ratan Dhan Payo (Rs 207.4 crore, 2016) vor Sultan und Bajrangi Bhaijaan in dem elitären 200er Club. Und seinem Ek Tha Tiger (Rs 198 crore) fehlten nur Rs 2 crore.

Salman kristallisiert sich tatsächlich als der zuverlässigste Erfolgsgarant in dem Trio heraus. Er hat mehr als 10 Filme in der Gesamtliste von 49 Filmen, die bisher über Rs 100 crore im Inland eingespielt haben. Neben Dabangg (Rs 145 crore, 2010) und Dabangg 2 (Rs 158 crore, 2012), hatte er Bodyguard (Rs 142 crore, 2011), Ready (Rs 120 crore, 2011) und Jai Ho (Rs 111 crore, 2014). Freilich hat Shah Rukh sechs Filme auf dieser Liste — Happy New Year, Chennai Express, Dilwale, Ra.One, Jab Tak Hai Jaan und Don 2, alle zwischen 2011 und 2015. Aber das Gesamtergebnis dieser Filme (Rs 921.35 crore) bleibt weit hinter den Rs 1,326.75 crore zurück, die die Filme von Aamir auf derselben Liste eingespielt haben (Dangal, PK, Dhoom 3, 3 Idiots und Ghazni).

Gleichwohl bleibt SRK ein großer Magnet eines massiven und vielschichtigen Fangefolges – und nicht nur in Indien oder unter den NRIs, da seine eigenartig weich/harte Persona auch eine einzigartige Nische unter den europäischen Zuschauern genießt. Diese Art echter Crossover Wirkung ist etwas, womit weder Aamir oder Salman so wirklich prahlen können. Doch Handelsexperten glauben, dass er nicht genug aus seinem vielseitigen Potential gezogen hat, oder eine Filmografie erreichte, welche die vielen Schattierungen seines Charakters ausnutzte. Anders als Aamir — und selbst Salman in gewissem Maß — hat er sich ihnen zufolge zu lange in seiner Komfortzone aufgehalten. Idealerweise hätte er sich eine Scheibe von Aamir abschneiden können, der als Erster von dem Trio begriff, dass es das Drehbuch war und nicht die Starpower, was an der Kasse wirklich greifen konnte.

Ziemlich früh in seiner Karriere soll es Aamir sogar abgelehnt haben, in einem Film zu arbeiten, den sein Vater, der Filmemacher Tahir Hussain, nach Tum Mere Ho (1990) inszenieren wollte, ohne sein Drehbuch zu sehen. Später hielt er auch davon Abstand, in Josh (2000) zu arbeiten, dem Film seines Vetters Mansoor Khan, weil er keinen weiteren Lover Boy spielen wollte (der schließlich von einem längst vergessenen Chandrachur Singh gespielt wurde) und war scharf auf die Rolle, die Shah Rukh angeboten wurde. Dieser Mansoor war der Regisseur seines ersten Films, Qayamat Se Qayamat Tak (1988), an-scheinend machte das keinen Unterschied für ihn.

Nicht nur das, der Dangal Star war auf eine weitere sehr interessante Weise total gegen die Norm vorgegangen: er hat es sorgsam vermieden, mit vielen Regisseuren ein zweites Mal zu arbeiten, die ihm erfolgreiche Filme gaben. Die Liste umfasst Ram Gopal Verma (Rangeela/1995), John Matthew Matthen (Sarfarsoh/1999), Rakesh Omprakash Mehra (Rang De Basanti/2006 An), und A.R. Murugadoss (Ghaji-ni), um nur einige zu nennen. Er wiederholte Raj Kumar Hirani mit PK (nach 3 Idiots), und das auch nur, weil ihm sein Drehbuch gefiel.

Nach einer Reihe von flüchtigen Ungetümen wie Ready hat selbst Salman in den letzten Jahren bewusst versucht, sich für interessante Drehbücher zu entscheiden: Bajrangi Bhaijan und Sultan entstanden aus dieser Suche. SRK hat jedoch keine solche Strategie in der Auswahl seiner Projekte gehabt. Im Laufe der Jahre versuchte er, mit versierten Regisseuren zu arbeiten. So hat es Mani Ratnam (Dil Se/1998), Aziz Mirza (Phir Bhi Dil Hai Hindustani/2000), Santosh Sivan (Asoka/2001), Gowariker (Swades/2004), Amol Palekar (Paheli/2005) und Priyadarshan (Billo/2009) gegeben. Doch der kommerzielle Misserfolg dieser Zusammenarbeiten zwang ihn anscheinend, im Aditya Chopra – Karan Johar Lager zu verbleiben, welches ihm weiterhin ihre Marke von Bubblegum Filmen anbot.

Dazwischen brachte ein zufälliger Chak De! India (2007) einen lange überfälligen Blick darauf, was hätte sein können. Normalerweise ist SRK bei einer absichtlichen Übertriebenheit geblieben, die die Genre-Lücke zwischen Actionkomödien wie Badshah und dem grandiosen Don überbrückte, und in beiden genauso gut funktionierte. Raees ist auch ein Unterweltstreifen, aber unterstützt durch Recherche und fun-diert in nahezu echten Ereignissen. Und in Dholakia hat man einen Regisseur, der sicher eine Geschichte erzählen kann, wie sein Film Parzania (2005) mit kleinem Budget gezeigt hat. Aber ebenso sehr wie auf den filmischen Wert richten sich im Moment auch alle Augen auf die Zahl der Zuschauer, die er anzieht.