Being a Khan

von Shah Rukh Khan

Was es heißt, in der Welt nach dem elften September ein Muslim zu sein. Und was Indien als muslimische Kraft für die Welt bedeutet.
Ich bin ein Schauspieler. Die Zeit gestaltet meine Tage nicht so nachdrücklich, wie Images es tun. Images bestimmen mein Leben. Momente und Erinnerungen prägen sich in mein Wesen ein, in Form von Schnappschüssen, die ich in meinen Ausdruck einflechte. Die Essenz meiner Kunst ist die Fähigkeit, Images zu schaffen, die in den emotionalen Bildern jener ihren Nachhall finden, die sie anschauen.
Ich bin ein Khan. Schon der Name an sich beschwört selbst in meinem Kopf mannigfaltige Bilder herauf: Ein bärenstarker Mann auf einem Pferd, seine Haare quellen verwegen unter einem straff um seinen Kopf gewundenen Turban hervor. Sein Gesicht, gutaussehend auf eine schroffe Art, wird betont durch wettergegerbte Runzeln und eine ausgesprochen große Nase.
Ein stereotyper Extremist, kein Tanzen, kein Trinken, keine Zigarette zwischen seinen Lippen, keine Monogamie, keine Gotteslästerung; ein redliches, ruhiges Gesicht, das ablenkt von der heftigen Wut, die im Inneren glimmt. Ein Charakterzug, der ihn sogar dazu bringen kann, sich im Namen seines Gottes in die Luft zu sprengen.
Dann ist da dieses Bild von mir, gedrängt in ein Hinterzimmer eines riesigen Flughafens, benannt nach einem amerikanischen Präsidenten (ein weiteres paralleles Image: das von einem Mann namens Lee ermordeten Präsidenten, Gott sei Dank kein Muslim, auch kein Chinese, wie einige glauben könnten! Nachdrücklich schubse ich das Bild dieses Raumes aus meinem Kopf).

So manches Entkleiden, Abtasten und eine Menge Fragen später, wird mir eine (Art) Erklärung geliefert, „Ihr Name tauchte in unserem System auf, es tut uns leid.“ „Mir auch,“ denke ich bei mir, „Kann ich jetzt bitte meine Unterwäsche zurück haben?“
Dann gibt es das Image, das ich am häufigsten sehe, das von mir in meinem eigenen Land; umjubelt als Megastar, verehrt und verklärt, von meinen Fans mit Liebe und sichtlicher Bewunderung belagert.
Ich bin ein Khan.
Ich könnte sagen, dass ich in jedes dieser Images passe, ich könnte ein strammer, um die sechs Fuß großer Typ sein – ok etwas weniger, auf jeden Fall über drei Inches, vom Reiten verstehe ich allerdings nicht viel. Einmal galoppierte ein Pferd auf und davon, während ich hilflos darauf herum schlenkerte, und seitdem habe ich in meinen Verträgen eine „kein Reiten“ Klausel verankert gehabt.
Mir wird oft von meinen Kindern gesagt, dass ich zwischen meinen Ohren äußerst muskulös bin, und ich war auch mal hell, doch nun besitze ich eine beständige Sonnenbräune, oder wie ich es gern bezeichne, einen „olivfarbenen Ton“ – obwohl ich in den Tiefen meiner Achselhöhlen noch immer die Überbleibsel aus helleren Tagen finden kann. Ich bin gutaussehend unter dem richtigen Licht und habe wirklich eine „ausgesprochen große“ Nase. Sie kündigt mich sogar an, indem sie durch die Tür lugt, kurz bevor ich meinen Auftritt als Megastar hinlege. Doch ungeachtet meiner Nase bedeutet mir mein Name nichts, es sei denn, dass ich ihn in einen Kontext setze.
Stereotypisierung und Kontextualisierung ist die Manier der Welt, in der wir leben: Eine Welt, in der Definition wesentlich für die Sicherheit geworden ist. Wir finden Trost darin, Phänomene, Objekte und Leuten zu definieren – mit begrenztem Wissen und entlang bekannten Parametern. Die Vorhersehbarkeit, die sich natürlich aus diesen Definitionen ergibt, gibt uns innerhalb unserer eigenen Begrenztheit ein Gefühl von Sicherheit.
Wir schaffen unsere eigenen, kleinen Imageschachteln. Eine solche Schachtel hat derzeit begonnen, ihren Deckel immer fester anzuziehen. Es ist die Schachtel, die in Millionen von Köpfen das Image meiner Religion enthält.
Jedes Mal, wenn von der muslimischen Gemeinschaft in meinem Land öffentlich Mäßigung verkündet werden muss, stoße ich auf diese Verschärfung der Definition. Wann auch immer es eine Gewalttat im Namen des Islams gibt, werde ich aufgefordert, meine Ansichten darüber darzulegen und die Vorstellung zu entkräften, dass ich auf Grund dessen, ein Muslim zu sein, solche sinnlose Brutalität billige. Ich bin eine der Stimmen, die auserkoren sind, meine Gemeinschaft zu vertreten, um andere Gemeinschaften davon abzuhalten, auf uns alle loszugehen, als ob wir irgendwie konspirieren oder verantwortlich sind für jene im Namen einer Religion begangenen Verbrechen, die wir völlig anders wahrnehmen als die Gewaltverbrecher.
Ich werde manchmal unbeabsichtigt zum Ziel politischer Führer, die beschließen, mich zum Symbol all dessen zu machen, was ihrer Meinung nach an Muslimen in Indien falsch und unpatriotisch ist. Es hat Anlässe gegeben, wo ich beschuldigt worden bin, gegenüber unserer benachbarten Nation loyal zu sein anstatt meinem eigenen Land – und das, obwohl ich ein Inder bin, dessen Vater für die Freiheit Indiens kämpfte. Es sind Kundgebungen abgehalten worden, wo mich die Führer dazu angehalten haben, mein Heim zu verlassen und dahin zurückzukehren, was sie als mein „ursprüngliches Heimatland“ bezeichnen.
Natürlich lehne ich jedes Mal höflich ab, indem ich solch schwerwiegende Gründe wie Sanierungsarbeiten in meinem Haus anführe, die mich davon abhalten, gehörig zu duschen, wie es vor Antritt einer solch weiten Reise erforderlich ist. Ich weiß allerdings nicht, wie lange diese Entschuldigung vorhalten wird.
Ich gab meinen Kindern Namen, die als allgemein durchgehen könnten (panindisch und panreligiös): Aryan und Suhana.

Der Khan ist von mir vermacht worden, dem können sie daher nicht wirklich entkommen. Auf Nachfrage von Muslimen spreche ich es mit einem Rachenlaut aus, und bringe das Aryan als Beweis ihrer Herkunft, wenn sich Nichtmuslime erkundigen. Ich bilde mir ein, dass dies meine Sprösslinge in Zukunft davor bewahren wird, unberechtigte Räumungsbefehle und willkürliche Fatwas zu erhalten. Es wird meine beiden Kinder auch weiterhin völlig verwirren. Manchmal fragen sie mich, welcher Religion sie angehören und wie ein guter Hindifilmheld verdrehe ich meine Augen Richtung Himmel und erkläre philosophisch, „Du bist zunächst einmal ein Inder und deine Religion ist die Menschlichkeit“, oder singe ein altes Hindifilmliedchen, „Tu Hindu Banega na Musalmaan Banega – insaan ki aulaad hai insaan banega“, im Gangnam Stil.
Nichts davon verschafft ihnen irgendwelche Klarheit, es bringt sie nur weiter durcheinander und dazu, vor ihrem Vater zutiefst auf der Hut zu sein.
In dem Land der Freien, in das ich mehrmals zu Ehrungen eingeladen worden bin, bin ich auf Ideen gestoßen, die mich in einen bestimmten Kontext setzen. Ich habe zum Beispiel meinen gerechten Anteil an Verspätungen am Flughafen gehabt.
Ich wurde es so leid, irrtümlich für einen irren Terroristen gehalten zu werden, der zufälligerweise denselben Nachnamen wie ich trägt, dass ich einen Film mit dem subtilen Titel My Name Is Khan (und ich bin kein Terrorist) machte, um das zu beweisen. Ironischerweise wurde ich wegen meines Nachnamens stundenlang im Flughafen verhört, als ich den Film erstmals in Amerika promoten wollte.
Ich frage mich zuweilen, ob dieselbe Behandlung jedem zuteil wird, dessen Nachname ganz zufällig McVeigh lautet (wie Timothy)?? (Timothy McVeigh verübte 1995 den Bombenanschlag in Oklahoma City)
Ich möchte keinerlei Gefühle verletzen, doch ehrlich gesagt folgt der Aggressor und Mörder seiner oder ihrem eigenen Kopf. Es hat nichts mit einem Namen, einem Ort oder seinem/ihrer Religion zu tun. Es ist eine Denkweise, die ihre eigene Disziplin hat, ihre eigene Unterscheidung von richtig und falsch und ihren eigenen Satz an Ideologien. Man könnte sogar sagen, sie hat ihre eigene „Religion“. Diese Religion hat nichts mit jenen zu tun, die seit Jahrhunderten Bestand haben und in Moscheen oder Kirchen gelehrt worden sind. Der Ruf des Azaan oder die Worte des Papstes haben keinen Einfluss auf die Seele dieser Person. Seine Seele wird vom Teufel getrieben. Ich weigere mich jedenfalls, durch die Ignoranz solcher Leute kontextualisiert zu werden.
Ich bin ein Khan.
Ich bin weder sechs Fuß groß noch gutaussehend (ich bin jedoch bescheiden), noch bin ich ein Muslim, der auf andere Religionen herabschaut. Meine Religion wurde mir von meinem sechs Fuß großen, gutaussehenden Papa gelehrt, einem Pathanen aus Peshawar, wo seine und meine stolze Familie noch immer residiert. Er war ein Mitglied der gewaltlosen Pathanen Bewegung namens Khudai Khidmatgaar und ein Gefolgsmann sowohl von Gandhiji als auch von Khan Abdul Gaffar Khan, auch bekannt als Frontier Gandhi.
Das Erste, was ich vom Islam lernte war, Frauen und Kinder zu respektieren und die Würde jedes Menschen zu achten. Ich lernte, dass die Eigenart und der Anstand anderer, ihre Ansichten, ihr Glauben, ihre Philosophien und ihre Religionen ebenso viel Respekt gebührte wie meinen eigenen und ohne Vorurteile akzeptiert werden sollte. Ich lernte, an die Macht und die Güte Allahs zu glauben, und zu meinen Mitmenschen freundlich und nett zu sein, jenen von mir zu geben, die weniger privilegiert sind als ich und ein Leben voller Glück, Freude, Lachen und Vergnügen zu führen, ohne jemand anderem die Freiheit zu nehmen, auf die gleiche Weise zu leben.

Ich bin also ein Khan, aber kein stereotypiertes Image ist in meine Vorstellung dessen eingegangen, wer ich bin. Stattdessen hat mich die Führung meines Lebens in die Lage versetzt, von der Liebe Millionen Inder tief berührt zu werden. Ich habe diese Liebe in den letzten 20 Jahren gespürt, unabhängig von der Tatsache, dass meine Gemeinschaft in der Bevölkerung Indiens eine Minderheit darstellt. Ich bin über nationale und kulturelle Grenzen hinweg mit Liebe überschüttet worden, von Surinam über Japan und Saudi-Arabien bis nach Deutschland, Orte, wo sie nicht mal meine Sprache verstehen. Sie würdigen, was ich für sie tue, als Entertainer – das ist alles. Mein Leben hat mich verstehen und annehmen lassen, dass Liebe ein reiner Austausch ist, nicht gezügelt durch Definitionen und frei von der Begrenztheit limitierender Vorstellungen. Wenn sich jeder von uns die Freiheit nehmen würde, Liebe in ihrer Reinheit zu akzeptieren und zurückzugeben, würden wir keine Imageschachteln brauchen, um die Mauern unserer Sicherheit aufrecht zu halten.
Ich glaube, dass ich gesegnet worden bin mit der Möglichkeit, das Ausmaß einer solchen Liebe zu erleben, aber ich weiß auch, dass dessen Größenordnung irrelevant ist. Wir können im Kleinen, einfach als Menschen, einander dafür anerkennen, wie wir unsere Leben berühren und nicht, wie unsere unterschiedlichen Religionen oder Nachnamen uns definieren.
Unter dem Deckmantel meines Superstartums bin ich ein normaler Mann. Meine islamische Abstammung kollidiert nicht mit der meiner hinduistischen Frau. Die einzige Meinungsverschiedenheit, die ich mit Gauri habe, betrifft die Wandfarbe in unserem Wohnzimmer und nicht die Standorte der Mauern, die in Indien Tempel von Moscheen abgrenzen.
Wir ziehen eine Tochter groß, die in einem Trikot Pirouetten dreht und ihre eigenen Ballette choreografiert. Sie singt westliche Lieder, die meine Gefühle durcheinander bringen und trachtet danach, Schauspielerin zu werden. Sie besteht auch darauf, ihren Kopf in muslimischen Staaten zu bedecken, die diese wirklich schöne und oft missverstandene Doktrin des Islams praktizieren.
Die geradlinigen Eigenschaften unseres Sohns geben Kunde von seinem Pathanen Stammbaum, obwohl er seine eigene, eher sanfte Mutation des Krieger-Gens hat. Er verbringt den ganzen Tag entweder damit, beim Rugby Leute beiseite zu schubsen, beim Tae Kwon Do in Hintern zu treten oder bei dem Videospiel The Call of Duty unbekannte Gesichter hinter anonymen Spielkonsolen auf der ganzen Welt zu eliminieren. Und trotzdem rügt er mich letztes Jahr nachdrücklich, weil ich in ein kleineres Handgemenge im Mumbaier Kricketstadion geriet, da ein intoleranter Mensch geschmacklose Bemerkungen über mich als Khan machte.

Wir vier bilden eine kunterbunte Repräsentation der außergewöhnlichen Akzeptanz und Bestätigung, dass Liebe nähren kann, wenn sie innerhalb der Vorzüglichkeit der Dinge ausgetauscht wird, die ansonsten als banal definiert werden.
Denn ich glaube, dass unsere Religion eine äußerst persönliche Wahl ist, keine öffentliche Deklaration dessen, wer wir sind. Es ist ebenso persönlich wie die Brille meines Vaters, der vor ungefähr 20 Jahren verstarb. Eine Brille, die ich als meinen wertvollsten und persönlichsten Besitz seiner Erinnerungen, Lektionen und dessen, ein stolzer Pathan zu sein, aufbewahre. Ich habe dies nie mit meinen Freunden verglichen, die ähnliche Besitztümer ihrer Eltern oder Großeltern haben. Ich habe nie gesagt, die Brille meines Vaters ist besser als der Sari deiner Mutter. Also warum sollten wir diese Gegenüberstellung in Sachen Religion haben, was ebenso persönlich und wertvoll ist wie die Erinnerungen Ihrer Väter. Warum sollte nicht die Liebe, die uns verbindet, das letzte Wort sein, um uns zu definieren, anstelle des Nachnamens? Es braucht keinen Superstar, um Liebe geben zu können, es braucht nur ein Herz, und soweit ich weiß, gibt es keine Macht auf dieser Erde, die irgendjemanden dessen berauben kann.
Ich bin ein Khan, und das hat es bedeutet, einer zu sein, trotz der stereotypen Images, die mich umgeben. Ein Khan zu sein, bestand darin, geliebt zu werden und wieder zu lieben – dies und das Versprechen, dass irgendwo im Jenseits Jungfrauen auf mich warten.