Ram Jaane (1995) gehört noch zu den eher harten Filmen von SRK, bevor DDLJ eine neue Ära einleitete und die romantischen Filme ihn übernahmen. Er gehört für mich zu den emotional brutalsten Filmen, da er einen Fatalismus zeigt, der mich in seiner lebensverachtenden Intensität zutiefst verstört.
Der Film erzählt die Geschichte eines namenlosen Findelkindes (Bhavin Patwa, als Erwachsener gespielt von Shah Rukh Khan), das niemanden auf der Welt hat, außer einem weisen alten Mann, der ihm hin und wieder etwas zu essen zusteckt und ihm auch eher zufällig seinen Namen Ram Jaane (Gott weiß) verleiht, und seinen beiden Freunden Murli (als Erwachsener Vivek Mushran) und Bela (als Erwachsene Juhi Chawla).

Er stiehlt, um zu überleben und wird dabei eines Tages von dem brutalen Inspektor Chunte (Puneet Issar) hochgenommen, er kann seinem Freund Murli jedoch die Flucht ermöglichen. Nach einer Tracht Prügel, die ihm seine unerschrockene und respektlose Art eingebracht hat, landet der Junge im Erziehungsheim, wo er die erste Gelegenheit zur Flucht ergreift. Er schafft es, bei einem Gangsterboss Eindruck zu machen und arbeitet die nächsten Jahre für ihn. Murli wird von dem weisen alten Mann zur Schule geschickt und gründet später ein Heim für Straßenkinder. Bela wurde von ihrem Onkel ins Internat geschickt und verliebt sich nach ihrer Heimkehr in Murli.
Als Inspektor Chunte bei einer Razzia den Gangsterboss tötet, der für Ram Jaane einem Vater am nächsten kam, dreht dieser durch und landet wieder einmal im Gefängnis. Wieder lässt sich Chunte die Gelegenheit nicht entgehen, Ram Jaane windelweich zu prügeln. Als er nach vier Jahren wieder rauskommt, schlüpft er erstmal bei Murli und Bela unter. Er hat keine Ahnung, dass die beiden sich lieben und verliebt sich seinerseits in seine schöne Freundin aus Kindertagen.

Ram Jaane versucht nun, bei seinen treulosen Gangsterkumpanen zu seinem Recht zu kommen, gleichzeitig Bela zu umflirten und Murli zu helfen, sein Heim zu halten, dessen Existenz von korrupten Politikern bedroht wird. Und das alles mit Chunte im Nacken. Dabei freundet er sich mit den Jungs aus dem Heim an und führt sie ein in seine Überlebensregel, Lebe mit Stolz und sterbe mit Stolz! Und wieder ist sein Lieblingswort Khallas…

Spoiler

Ram Jaane gehört sicher nicht zu den erfolgreichsten Filmen von Shah Rukh, ist aber nichts desto trotz besser als Durchschnitt, obwohl man ihm schon ansieht und vor allem anhört, in welcher Zeit er gedreht wurde. Allerdings ist er nichts für zarte Seelchen auf der Suche nach der heilen Welt der weichgespülten Liebesfilme Bollywoods. Und man sollte auch nicht auf ein Happy End hoffen. Es gibt zwar schon eines, aber leider nicht für unsere eher zur Kategorie nicht durchweg sympathischer Antiheld mit goldenem Herzen gehörenden Figur von Shah Rukh. Man sollte aber auch diese Filme aus seiner frühen Karriere sehen, um all seine Facetten zu kennen.

Der Film erinnert an Angels with Dirty Faces von Michael Curtiz und Amitabhs Filme aus den Siebzigern. Doch Ram Jaane hat, was jenen Filmen fehlte, Shah Rukhs Sinn für Humor und seinen unverwechselbaren Charme. Es fehlt allerdings auch nicht an einem gerüttelt Maß an Brutalität. Komische Szenen wechseln sich mit knallharten ab, die menschenverachtende Grausamkeit von Chunte auch gegen Kinder ist schwer verdaulich. Mit dieser Polizei will man aber auch gar nichts zu tun haben. Da wird munter verprügelt, geschossen und korrumpiert. Dagegen richtet sich Ram Jaanes Rachedurst gegen seinesgleichen und korrupte Politiker, die aus Habgier das Lebenswerk seines Freundes Murli bedrohen, allerdings nicht weniger brutal. Er versucht, wie schon als Kind, seinen Freund aus allem herauszuhalten und zu beschützen, erniedrigt sich sogar zum Ende, um ihm einen letzten Gefallen zu tun.

Shah Rukh überzeugt als Ram Jaane, der stigmatisiert durch seine Eltern- und damit auch wurzellose Existenz nur den Schmerz dieser Welt kennt. Er kommt aus der Gosse, daran ändert auch ein Geldsegen nichts. Er trägt nun zwar Anzüge, aber ohne Hemd, dafür mit protzigen Goldketten. Er hat seinen eigenen Stil und trägt seine Coolness wie eine zweite Haut. Kurz darf er an Belas Seite das Paradies kosten, doch als er erkennt, das er zwischen zwei Liebenden steht, verzichtet er sofort und zieht sich zurück. Aber wieder auf seine eigene unverwechselbare Art, indem er Bela verletzt und von sich stößt. Seine Wut auf diese Welt und auf einen Gott, der ihm auch das letzte noch nimmt, entlädt sich in der Zerstörung eines, wie soll es anders sein, Glastisches, mit bloßen Fäusten. Schmerz ist ihm vertraut und das einzige Gefühl, das ihm all die Jahre treu blieb.

Shah Rukh spielt den Ram Jaane bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus. Alle Gefühle kommen ungefiltert rüber. Der Ausdruck seiner Augen geht durch und durch, wie auch seine Körpersprache. Er redet wie ein Wasserfall, das die Untertitel kaum hinterherkommen, in einem Slang, der gespickt mit gaalis verdächtig nach Gosse klingt.
Die anderen Schauspieler haben da kaum eine Chance gegen ihn. Juhi ist süß und schnippisch wie immer, hat aber leider zu wenig zu tun in dem Film, die paar Szenen, die sie mit Shah Rukh hat, reichen nicht, um wirklich Romantik aufkommen zu lassen. Daher ist der Film von jedem ein wenig, aber nichts richtig. Für einen Gangsterfilm ist er nicht schwarz-weiß genug, dank Shah Rukh, für eine Milieustudie nicht dramatisch genug und für einen Liebesfilm emotional zu schwach. Was man von Anfang an spürt, ist Verlust. Murli alias Vivek Mushran bildet als bedächtiger Freund den ausgleichenden Gegenpol zu dem teils fast anstrengenden Energiebündel Shah Rukh. Die Kinderdarsteller haben mich beeindruckt, vor allem die der drei Freunde. Und der kleine Ram Jaane mit seinem Hut hatte was.
Ich glaub, zu den Actionszenen brauch ich jetzt nichts mehr zu sagen, die kann jeder für sich genießen. Inklusive diverser Scherben. Passen allerdings zum ganzen Film und erfordern Shah Rukhs ganzen Körpereinsatz. Das Ende ist ein Wechselbad der Gefühle, das Lied, das Ram Jaane auf seinem letzten Gang begleitet, hatte mich schon zum Weinen gebracht, da kannte ich den Film noch nicht mal. So verlässt Ram Jaane diese Welt ohne Bedauern, die er ungewollt betrat.

Ah ja, die Musik. Der Soundtrack gefiel mir wie gesagt schon, bevor ich den Film das erste Mal sah. Ich wählte mir anfangs ganz ahnungslos die Filme, die ich mir besorgen wollte, nach einer DVD mit Musikvideos aus und so war Ram Jaane einer der ersten, die ich haben wollte. Es sind selbst für einen Hindifilm eine Menge Songs, aber sie passen zur Handlung und Grundstimmung des Films.
Am besten gefallen mir dabei Pump up the Bhangra und Ram Jaane. Im ersteren sind vor allem Shah Rukh akrobatische Einlagen sehenswert, von der nackten Brust ganz zu schweigen. Der letztere berührt durch seine Lyrik, eine eingängige Melodie und einen leicht beschwipsten Shah Rukh und greift den Kern der Geschichte auf. Die traurige Version davon habe ich oben bereits erwähnt. Das Liebeslied mit Traumsequenzen Chori Chori Chal bleibt vor allem durch den Zigeunerlook im Gedächtnis, den Shah Rukh und Juhi tragen. Alle Songs sind Ohrwürmer und machen einfach Spaß.
Der Film ist sicher nur etwas für hartgesottene Fans von Shah Rukh, die gern auch seine dunkle Seite betrachten. Aber sehenswert ist er allemal. Frau sollte allerdings Taschentücher greifbar haben.