Ihr wolltet meine Ansicht zu Rab Ne Bana Di Jodi? Na gut, ihr habt es nicht anders verdient, aber beschwert euch nicht hinterher. Ich werde nämlich gnadenlos objektiv und völlig unbeeindruckt von SRK’s Performance und Adi’s Drehbuch sein, absolutely… Wo hab ich nur wieder meine rosarote Brille hingelegt, ah ja, da ist sie, es kann losgehen. Aber eine Warnung an alle, die den Film noch nicht gesehen haben, es könnte Spoiler enthalten. Erwartet aber keine technische Review, dafür bin ich nicht zuständig, ich fühle Filme nur…

Eine Bekannte aus den Forum, bekennender Aamir-Fan, meinte im Kino zu uns, Rab Ne… sei besser als OSO. Mhm… besser als OSO? Nein, nicht besser, sondern anders. Der Film ist so anders, es gab einen Film wie diesen noch nicht, ich ziehe einmal mehr den Hut vor Aditya Chopra für dieses Drehbuch und möchte Shahrukhjis Füße berühren für seine Performance in dem Film.

So gern ich OSO mag, fehlt doch etwas in dem Film. Die Liebesgeschichte. Sicher, Om ist unsterblich verliebt in Shanti, doch ist die ganze Sache ziemlich einseitig, denn erstens ist Shanti verheiratet, zweitens schwanger und drittens fatalerweise auch noch verliebt in das Aas. Om, den sie als Freund betrachtet, schenkt sie in voller Unschuld einen Abend, das ist aber auch schon alles. Und in der zweiten Hälfte kann man nur erahnen und sich ausmalen, wie sich die Beziehung zwischen den beiden weiterentwickeln wird. Hier steht nicht die Liebesgeschichte im Zentrum, sondern die Wiedergeburt und Rache. Und seien wir mal ehrlich, SRK als Racheengel im weißen Hemd und schwarzer Hose im letzten Lied ist echt lecker…

So einfach die Story von Rab Ne auf den ersten Blick erscheinen mag, ist sie doch kompliziert. Sie hat etwas, was ich vorher in dieser Art noch nicht gesehen habe, eine Dreiecksbeziehung zwischen zwei Menschen. Doch fangen wir von vorne an. Da gibt es Taani, die Tochter von Suris Lehrer und Suri, der in Amritsar lebt und bei Punjab Power arbeitet. Sie begegnen sich das erste Mal bei Taanis Hochzeitsvorbereitungen. Und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Das Mädchen, das eben noch glücklich lächelte und ausgelassen tanzte, als Suri sie das erste Mal sieht und sich (natürlich) sofort in sie verliebt, verliert an einem Tag die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Ihren für uns unbekannten Verlobten bei einem tragischen Busunglück und ihren geliebten Vater, der daraufhin einen Herzanfall erleidet. Der nimmt ihr auf dem Sterbebett noch das Versprechen ab, den Mann zu heiraten, der ihr während ihrer ganzen Kinder- und Jugendzeit als leuchtendes Beispiel vorgehalten wurde. Wir wissen ja selbst, wie so etwas ist, argh… Wie sie selbst meint, ‚mein Vater wollte uns sogar verheiraten. Wie könnte ich?’

Und plötzlich findet sie sich in einer fremden Stadt wieder, einem fremden Haus, neben einem fremden und ziemlich unaufregenden Ehemann. Der aber so taktvoll ist, ihr das Zimmer zu überlassen und in den oberen Stock zieht, in ein Zimmer, für das die Bezeichnung Rumpelkammer noch geschmeichelt wäre. SRK mit einem Staubwedel in der Hand zu erleben, ist das aber allemal wert. Ein junges Mädchen, plötzlich in einem absoluten Junggesellenhaushalt, inklusive einer schon fast bedeutungsschwangeren riesigen Flasche Ketchup… Rab sei gedankt, ohne zänkische Schwiegermutter.

Was dann folgt, ist für mich der absolute Hammer. Taani sagt zu Suri in vollster Unschuld, danke für alles, aber ich liebe dich nicht und werde dich wohl auch niemals lieben. Denn ich habe keine Liebe mehr zu vergeben. Ich muss versuchen, die alte Taani hinter mir zu lassen und eine neue Taani zu werden. Good night… Die Szene ist absolut Klasse, und was macht Suri? Er möchte nicht, dass Taani sich ändert, er will die lachende und tanzende Taani wieder, in die er sich verliebt hat. Doch die bekommt er als Suri nicht zu sehen, außer vielleicht im Dunkel eines Kinosaals, die einzigen Momente, wo sie glücklich aussieht, also wird er zu jemand anderen. Er bittet seinen Freund – ein Friseur, wie praktisch – ihn in einen der Filmhelden zu verwandeln, die Taani so zu lieben scheint. (Nebenbei, wie kann ein Friseur seinen besten Freund so rumlaufen lassen, wie Bobby das mit Suri tut?)

Völlig untypisch für indische Männer, wahrscheinlich für die meisten Männer überhaupt, macht sich Suri Gedanken darüber, warum seine Frau unglücklich und unzufrieden ist und sucht die Schuld bei sich. Er verwandelt sich in Raj, sein Alter Ego, das das aussprechen kann, was Suri nicht zu tun vermag. In seiner Gegenwart ist Taani unbeschwert und ausgelassen, wie sie es früher war. Wie unwichtig ihr ihre Ehe und ihr Ehemann sind, sieht man darin, dass sie sich nicht die Mühe macht, Raj aufzuklären, dass sie verheiratet ist. Bis zu dem Zeitpunkt, als dieser ihr höchst spektakulär in Leuchtschrift quer über die Stadt seine Liebe gesteht. Da begreift sie, was ihr fehlt in ihrem Leben. Und sie macht sich zum ersten Mal Gedanken über ihren Ehemann.

Ein Ehemann, der ihr alle Wünsche erfüllt, sobald sie sie ausgesprochen hat. Der sie nicht anrührt, obwohl es sein gutes Recht gewesen wäre. Der für sie in den Ring steigt und gegen einen Sumoringer antritt, der wahrscheinlich viermal soviel wiegt wie er, um ihr seine Liebe zu zeigen. Der glücklich ist über so kleine Gesten der Aufmerksamkeit wie eine Lunchbox oder ein paar nette Worte für seine Kollegen. Als Raj kann er seine Liebe aussprechen, als Suri nur durch Taten zeigen, wie in der Szene, als er ihr Biryani isst, obwohl er von einem vorherigen Wettessen mit Taani so voll ist, das er hinterher aussieht wie im neunten Monat. Natürlich fühlt sie sich zu Raj hingezogen, nur das Raj eben Suri ist. Suri könnte damit zufrieden sein, da er ja Raj ist. Doch der Twist ist, er möchte wissen, ob Taani Raj oder Suri liebt, für sie zwei völlig verschiedene Personen. Raj, der sie offen umwirbt und fragt was sie will und Suri, der Raj erschafft hat, um sie glücklich zu machen. Mit Raj kann sie lachen und tanzen, in Suri sieht sie nur all das Schlimme, das ihr passiert ist. Und das ist dann auch schon die Climax des Films, wie Adi es schafft, diesen gordischen Knoten zu lösen, müsst ihr selbst sehen.

Der Film wird getragen von SRKs Augen und Händen. Endlich mal ein Regisseur, der seine Qualitäten einsetzt, anstatt ihm zu sagen, seine Hände in die Hosentaschen zu stecken. Sein Gesicht in Großaufnahme auf der Leinwand klingt gewagt in Shah Rukh’s Alter, aber das Gegenteil ist der Fall. Er bringt die Gefühle so echt rüber, das frau eine Gänsehaut kriegt, sei es durch ein Zittern der Lippe oder der Nasenflügel. Er muss nicht einmal weinen, es reicht völlig, wenn seine Augen unter Wasser stehen. Übrigens liebe ich es, wenn sein linkes Eckzähnchen rausblitzt, ich weiß, ich bin krank… SRK hat einige großartige Szenen im Selbstgespräch oder mit Bobby, in denen er alles zeigen kann, was er draufhat. Allein dafür liebe ich diesen Film. Und seine kraftvollen und doch sensiblen Hände… Diese kleinen Gesten, die Szenen unterstreichen oder betonen. Zum Beispiel, wenn er am ersten Morgen die Rose auf den Tisch legt und wieder wegnimmt. Die bittende Geste der rechten Hand, als er an ihrer Tür steht und sie bittet, seine Arbeitskollegen zu begrüßen. Im Lied Tujh Mein, als er seine Hände wie im Gebet übers Gesicht legt… ich könnte ewig so weitermachen.

Und dann diese kleinen Bonbons für die Mehrfach-ins-Kino-Gänger, all die privaten Fotos von SRK, die nett verteilt im Haus herumstehen oder hängen, der Mülleimer, der im Kino mal neben den Toilettentüren steht und mal dazwischen. Der heimliche Star in SRK’s Filmen, der Ehering taucht auch hin und wieder mal auf und verschwindet wieder (in derselben Szene, wohlgemerkt). Der berühmt berüchtigte Käfer, der unter Shah Rukh’s Zehen einen glücklichen Tod gestorben sein dürfte. All die Querverweise auf andere Filme, wie die Klänge von Dhoom in der Motorradszene, das Pferd in Hum Tumhare Hain Sanam, KANK, Dil To Pagal Hai usw. sind ja schon fast obligatorisch. Und was mir noch aufgefallen ist, als Raj in der einen Szene aus der Rikscha steigt und noch Suris Brille aufhat, das war der eine Moment im Film, in dem SRK selbst zu sehen war. Das war so echt, das ich eine Gänsehaut bekam. Ich weiß nicht, ob ihr versteht, was ich meine…

Die Lieder sind gut platziert in dem Film, ich mag sie eigentlich alle außer dem Lied mit den vier Schauspielerinnen, es wirkt etwas deplaziert und ich hab etwas gegen SRK in braunen Klamotten und die Teletubbies. Die anderen Lieder bringen die Story vorwärts und übermitteln die Gefühle der Hauptdarsteller. Mein absolutes Lieblingslied ist dabei Tujh Mein, das war es schon, bevor ich den Film zum ersten Mal sah, die Inszenierung ist einfach nur schön. Obwohl SRK sicher wieder von einigen kritisiert wird, da er verschiedene Religionen auf einen Nenner bringt. Doch dieses Lied ist so sehr SRK, seine Einstellung gegenüber Frauen und Religion, dass es fast weh tut.

Der Film dreht sich im Grunde um drei Menschen, Taani, Suri/Raj und Bobby. Die Interaktion zwischen diesen drei, beziehungsweise vier Charakteren ist großartig umgesetzt und wird nie langweilig. Taani und Bobby werden nie von SRK erdrückt oder an die Wand gespielt, sondern behaupten sich in ihrem jeweiligen Bereich. Bobby ist eigentlich der Comic Relief des Films, wird aber nie peinlich, sondern steht seinem Freund Suri mit Rat und Tat zur Seite. Obwohl er nicht versteht, warum dieser seiner Frau nicht endlich die Wahrheit sagt und sie so seiner Meinung nach unfair behandelt. Suri stellt sie vor eine Wahl, die eigentlich keine ist. Verlässt sie Suri, verliert auch Raj. Deshalb fühlt sich Raj/Suri am Boden zerstört, als sie ihn bittet, mit ihr durchzubrennen. Und bricht fast zusammen vor Erleichterung, als sie ihm am Ende sagt, das sie ihren Mann nicht verlassen kann und sich dafür bei Raj entschuldigt, ups ich glaub, das war ein Spoiler…

Ein wichtiges Thema im Film sind die Klamotten. Wer SRK das erste Mal in diesem Streberhemd inklusive dem obligatorischen Kuli in der Brusttasche sieht, den Bundfaltenhosen und Turnschuhen, mit Brille Marke indisches Kassenmodell, wird mich verstehen. Kleider machen eben doch Leute. Das er in Großeinstellung seinen Hintern samt sich abzeichnenden Slip zeigt, ist schon fast eine Kampfansage. Aber es wird besser. Suri in weißer Kurta ist lecker, auch wenn er sich einen furchtbaren Gang dafür zugelegt hat. Sein Gang als Suri ist schon fast Kunst, seine Bewegungen beim Treppensteigen und Abwaschen, ich lag am Boden vor Lachen. Doch sobald Suri die Brille von Raj aufsetzt, kommt der Macho zum Vorschein, Brust raus, ein herausforderndes Grinsen im Gesicht und die altbekannte Geste über/durch die Haare. Als Raj tut er noch ein Übriges, um im weiblichen Publikum den Puls in die Höhe schnellen zu lassen, er fasst sich an den Hintern, um den engen Slip zurechtzuzupfen. Und so viel Freubauch wie in diesem Film hab ich von SRK auch noch nicht gesehen. Hut ab vor dem Kostümbildner des Films. Ich weiß den Einsatz von zu engen und zu kurzen T-Shirts inklusive scharfer Rasierklingen zu würdigen. Nicht zu vergessen, die vielen nassen Szenen mit SRK, praktischerweise spielt der Film in der Monsoonzeit, klasse Ausrede…

Übrigens wer wissen möchte, was das für ein Armreif ist, den der sonst so uneitle Suri trägt, SRK spielt in dem Film ja einen Sikh, und diese tragen den eisernen Armreif (kadha) als Zeichen der Gemeinschaftlichkeit. Den dazu gehörigen Turban trägt Suri allerdings nur bei der Hochzeit, im Golden Temple trägt er ein Kopftuch.

Eines noch, die Frage, warum Taani Raj nicht erkennt. Wie sollte sie auch, da sie Suri nie richtig ansieht. Abends, bei den fünf Minuten Abendessen, sitzen sie sich an dem ewig langen Tisch gegenüber (der mich immer an „Der kleine Lord“ erinnert), praktischerweise noch getrennt von einem riesigen Blumenstrauß. Jeder starrt auf seinen eigenen Teller. Zusätzlich sind seine Augen fast immer hinter einer Brille verborgen, Raj trägt sogar getönte Brillen. Die Frisur tut ein übrigens, man glaubt kaum, was eine andere Frisur ausmacht. Klar, wir erkennen SRK sogar in seiner Rolle als alter Mann in English Babu Desi Mem (hat eigentlich mal jemand Boman Irani in Josh erkannt?), aber in diesem Film ist es schon glaubhaft für mich, das sie ihn nicht erkennt. Und wie Suri zu Bobby sagte, wenn Gott gewollt hätte, hätte sie ihn sofort in Raj erkannt. Es ist eben ein Rab Ne Bana Di Jodi…