Quelle

Vom besessenen Liebhaber zum aufrichtigen Superhelden, vom Sportteambesitzer bis hin zum Aushängeschild von Schönheitscremes hat Shah Rukh Khan alles getan. Doch die Rolle, in der er heraussticht, ist die des freundlichen Superstars. Chandni Sehgal trifft Bollywoods Hauptdarsteller, um herauszufinden, was ihn zum ewigen, beständigen Loverboy macht

Shah Rukh Khan sagt, an den Tagen, wenn alles schiefgeht (Ja, Bollywoods größter Superstar hat auch solche), „gehe ich zum weinen in mein Badezimmer, so wie ein wirklicher Macho weint.“ Dann erzählt er mir, daß er die meisten seiner Nächte mit väterlichen Aufgaben verbringt – heute Abend hilft er seiner Tochter Suhana, Daten von einem kaputten Handy zu übertragen, weil „ sie zu faul ist, es zu tun.“ Vielleicht sind es diese klaren braunen Augen, dieses verschmitzte Lächeln oder die Tatsache, daß er genau das richtige in genau dem richtigen Moment sagt, doch Sie mögen ihm nicht glauben, wenn er darauf besteht, so wie wir zu sein. Doch lassen Sie sich nicht komplett zum Narren halten – Shah Rukh Khan ist zweifellos einer der bekanntesten und beliebtesten Schauspieler in der Welt, seine Berühmtheit kennt keine Grenzen. Dieser 51-jährige Superdad ist außerdem der Star aus mehr als 80 Filmen und einer der höchstbezahlten Schauspieler auf der Welt. Fügen Sie dem seinen Padma Shri hinzu, den Ordre des Arts et des Lettres und den Legion d’honneur der indischen bzw. französischen Regierung, und Sie wissen, daß Sie sich in keiner gewöhnlichen Gesellschaft befinden. Daher setzen wir nach den dreistündigen Aufnahmen für die Titelseite, wobei er den Stichworten unserer Modeleiterin Anaita Shroff Adajania folgt, unsere Unterhaltung fort, und er bezaubert mich, genau das, wovor mich alle gewarnt haben.

Der Mann, der Mythos, die Legende

Aber wo endet der Schauspieler und beginnt der Mann? In Khans Fall scheint es ein wenig unklar zu sein – eine 30-jährige Karriere, angefüllt mit einer Rollenauswahl, die ein Gefühl für die Zuneigung zu ihnen unterstreicht, eine Eigenschaft, die unentwirrbar mit der Person verbunden scheint, die er ist. Er erklärt, „Nachdem ich das für mehr als die Hälfte meines Leben getan habe, gibt es eine Überlappung und ich habe aufgegeben, es zu dekonstruieren. In meinem Herzen ist es eindeutig – die Person unterscheidet sich völlig vom Schauspieler. Ich bin sehr schüchtern, und der Schauspieler ist ein Ventil für all die Schüchternheit in mir. Nach einem harten Arbeitstag will ich mich nur hinlegen und in den Fernseher starren, wie es ein Höhlenmensch früher mit dem Feuer gemacht hat.“ Schüchtern und zurückgezogen? Nicht genau die Worte, die man mit dem internationalen Redner (Khan’s TED Talk und seine Yale Rede waren Hits im Netz), TV Moderator, Star Performer und schlagfertigem Tweeter verbindet. Er sagt mir, daß er auf Partys gerne ruhig dasitzt und die Leute beobachtet. „Eine Menge meiner Gestik hat mit dieser Schüchternheit zu tun… das ist mein Stargehabe.“
In seinem Fall ist es natürlich nicht nur der Mann und Schauspieler, sondern auch SRK, der Superstar. Und da Demut zu heucheln nicht plausibel wäre, gibt er zu, ein Angestellter des Mythos SRK zu sein. Er erklärt diese beeindruckende Persona als „ein Familienmitglied, das wir nicht oft treffen, mit dem wir nicht sehr häufig reden oder zu sehen bekommen, aber er ist da.“ Seine Kinder halten ihn aber am Boden, indem sie ihn dann und wann scherzhaft schelten. „Meine Kinder machen sich über mich lustig‚ wie OMG SRKKKKAY!’

Was Frauen wollen

Was ihn zu einem generationenübergreifenden Star macht, der sich vom Liebling Ihrer Großmutter zum neusten Schwarm Ihrer Nichte katapultiert hat, ist diese unbeschreibliche Starqualität, die er besitzt. Weit davon entfernt, ein alternder Filmstar zu sein, hat er seine Altersgenossen umgangen, um die nächste Generation von Schauspielerinnen zu umwerben, und weiter Legionen von Fans zu gewinnen. Geschichten von Fans aus Deutschland, die ihm Ständchen mit seinen Dialogen und Songs bringen, oder selbst aus dem fernen Borneo (wie ich diesen Sommer im Urlaub herausfand), sind eine unveränderliche Gegebenheit. Und weder gefloppte Filme, noch der Angriff von Neulingen oder die üblichen Zeichen der Zeit können seiner Popularität etwas anhaben.
Wir könnten es als beständige Starpower bezeichnen, Khan hat jedoch eine kuriose, philosophischere Erklärung, „Ich denke, der Grund, warum Frauen und Kinder mich mögen (allen Alters, und ich glaube gern, daß sie das tun!) ist der, daß ich es ihnen angenehm mache. Ich werde weder in ihren Raum vordringen noch persönlich werden. Frauen brauchen ihre Privatsphäre – emotional, geistig und physisch. Ich sehe Frauen mit jeder Menge Achtung, Respekt, Liebe, Verlangen, Bedürfnis, Güte, Liebenswürdigkeit und Sanftmut.“ Das letzte Wort bleibt hängen – es gibt eine gewisse „Sanftmut“ an ihm. Er mag sich für unsere Aufnahmen ein paar Stunden verspätet haben, doch es sei verziehen, da es der Tag war, als der Regen in Mumbai für Schlagzeilen sorgte. Als er das Studio am Stadtrand betritt, entschuldigt er sich erst mal, macht dann ein, zwei Witze, um jedermanns Laune zu heben und dann steht er ganz zur Verfügung – das ist Khan, der vollendete Gentleman.
Er fährt fort, „Ich habe es analysiert, und harte Arbeit und Talent haben nichts damit zu tun – viele Leute haben das. Ich verstehe Frauen nicht, aber ich spüre und respektiere sie. Wenn ich ein Talent bestimmen sollte, das die Zeiten überdauert, ist es dies. Nichts anderes.“ Nachdem wir gesehen haben, wie er unser fast ausschließlich weibliches Team der Vogue bezaubert hat, stimmen wir einmütig zu – er weiß, was Frauen wollen, und er gibt es uns.

Ich bin jede Frau

Keine Überraschung, da er immer von Frauen umgeben ist – zuerst war es seine Mama und Schwester, und jetzt seine Frau Gauri und seine Tochter, zusammen mit seinem frauenlastigen Team und einem Strom von Filmpartnerinnen. Es ist leicht zu verstehen, warum die meisten Frauen vernarrt sind, und warum er wohl so vornehmlich von seiner Fähigkeit spricht, sich mit uns zu verbinden. Während des ganzen Interviews spricht er mich mit meinem Namen an, sieht mir direkt in die Augen und bietet mir von dem Chikki an (welche Frau kann Zucker widerstehen?), von dem er knabbert – ein jahrzehntelanges Spiel vor Publikum bedeutet, daß er weiß, was Sie hören wollen, und wie er porträtiert werden will. Aber er macht es so gut, daß Sie trotzdem darauf reinfallen.
Er sagt, „Sie (die Frauen) sind äußerst professionell, und ich finde es überaus unfair, daß ich derjenige bin, der an der Spitze steht – aber es ist auf vielen Gebieten immer noch eine Männerwelt, und das Kino ist eines davon. In meinen Anfangstagen verbrachte ich viel Zeit mit Sridevi, Madhuri, Juhi und Kajol. Ich habe erlebt, wie die jüngere Gruppe mit mir gestartet ist, wie eine Deepika oder Katrina, und wie sie sich nach ein, zwei Filmen ihren eigenen Raum geschaffen haben. Ich rede nicht mit Männern – ich versuche nicht, Zeit mit ihnen zu verbringen. Es ist langweilig! Ich bin lieber in der Gesellschaft von Frauen. Sie besitzen eine innere Stärke angesichts der Höhen und Tiefen, und ich denke, daß ich nach so viel Zeit mit ihnen ein wenig zur Frau geworden bin. “Es ist daher nicht überraschend, daß er einer der beiden Männer ist, die letzten Monat den allerersten Woman of the Year Award der Vogue bekommen haben. „Ich wollte immer zur Vogue gehören. Ich gebe lieber einer Frauenzeitschrift ein Interview – ich mag nicht viel über Mode wissen, aber das hält mich nicht davon ab.“

Die Welt ist nicht genug

Khan ist unermüdlich. Kommerzielle Erfolge und Mißerfolge, eine drei Jahrzehnte dauernde Karriere und alles getan zu haben, mag die meisten Menschen übersättigen, aber nicht ihn. Jetzt möchte er das größte Studio „im Herzen von Mumbai aufbauen, das die Welt jemals gesehen hat.“ Er ist immer auf dem Sprung, drängt ständig vorwärts. In der Tat weigert er sich, zurückzublicken und ist ein notorischer Gegner des Vererbens. „Wenn ich die Höhepunkte betrachten würde, würde ich mich nur auf meinen Lorbeeren ausruhen. Jeder, der für ein Vermächtnis arbeitet, für die Nachwelt, arbeitet bereits zu sehr im Rückblick. Der Versuch, etwas zu hinterlassen, damit sich die Leute an Sie erinnern, ist albern – auf einem Grabstein sollte stehen‚ ‚Ich hab’s versucht’, das ist alles.“
Er hat jedoch das Tempo gedrosselt. Während er in seiner Anfangszeit dachte, daß er es am Besten wüßte, wozu die meisten jungen Schauspieler neigen, arbeitet er im Moment nur an einem Filmprojekt. „Der Prozeß ist fantastisch. Ich liebe es zu schauspielern, selbst wenn ich nur zwei Aufnahmen richtig hinbekomme. Ich mag es, jemandes Geschichte zu erzählen und die Menschen zu unterhalten, daher ist es der Höhepunkt jedes Jahrzehnts, daß ich mehr Leute unterhalten habe, so einfach ist das. Ich habe keine Traumrolle – Sie geben mir eine Rolle, und ich mache es zu einer Traumrolle. Daran glaube ich wirklich, ohne aufgeblasen zu sein.“ Und ich glaube ihm – ob er nun den psychotischen Liebhaber spielt oder einen Superhelden, oder seine charakteristische Rolle des Liebhabers, Khan macht sich jeden Charakter zu eigen, in den er schlüpft. „Ich mag das seit 30 Jahren getan haben, aber ich weiß immer noch nicht alles. Ich liebe, was ich tue, und ich entscheide mich so, wie ich mich fühle. Den einen Tag ist mir nach überspannter Komödie, als werde ich es tun. Ich habe Fan gemacht, und es scheiterte. Sie hassen Fehlschläge nicht, bis sie sich wiederholen. Und ich verabscheue es. Doch Fehlschläge treiben mich an.“
Die Akzeptanz, daß er nicht alles weiß, die Abscheu vor dem Scheitern und seine beharrliche Wißbegierde ist es, was ihn zum ewigen Star macht. Er liest zwei oder drei Bücher auf einmal, schaut eifrig die Nachrichten (BBC, CNN, indische Sender… „Ich werde es anschauen, selbst wenn ich es nicht glaube) und googelt zwanghaft alles. Und es ist dieser Durst, der ihn in die Zukunft treibt. Ein VFX Studio, eine erfolgreiche Produktionsfirma und Kricketteams in seinem Besitz und ein Projekt „für Frauen“, an dem er arbeitet, sind einige der Dinge, die ihn beschäftigen. Doch zurzeit begeistert er sich am meisten für seinen nächsten Film mit Anand Rai, in dem er einen Zwergwüchsigen spielt, „Ich hatte noch keinen Film mit so viel Postproduktion. Ich glaube, daran hat sich bis jetzt noch keiner auf der Welt versucht.“
Das Wort „Welt“ taucht in dem Gespräch häufig auf‚ ‚bestes Studio der Welt’‚ ‚das erste Mal in der Welt’ – daher ist es überraschend, daß er nicht nach Hollywood gewechselt ist. Er erklärt, „Ich möchte eine Rolle, die der Achtung und Liebe gerecht wird, die mir 1.3 Milliarden Inder geschenkt haben. Daher möchte ich nicht einen Film machen oder Teil davon sein, der überwechselt – er wird übernehmen müssen.“ In einer Industrie, wo Sterne öfter verbrennen als daß sie funkeln, hat ihn das Setzen auf diese Zeilen zum King gemacht. Doch nur, wenn er sie in Frage stellt und seine eigenen entwirft, wird gewährleistet, daß er der King bleibt.