Ein kleines filmisches Juwel mit einigen bitteren Wahrheiten des Lebens, farbenprächtig verpackt in einer leichtgängigen und ans Herz gehenden Handlung vor teils atemberaubenden Kulissen.
Frei nach Michael J. Fox ‚Ein Concierge zum Verlieben’ spielt Shah Rukh hier den ambitionierten Rahul (naam tu suna hoga?!) Joshi, der in Mumbai von seiner eigenen Werbeagentur träumt und dafür bei seinem eigentlich verheirateten Chef Siddharth (Aditya Pancholi in einer herrlich fiesen Rolle) den Man Friday spielt und dessen Drecksarbeit erledigt. Und das buchstäblich, er räumt hinter seinen abgelegten Liebschaften auf, lässt deren Schimpftiraden über sich ergehen, deckt ihn bei seiner Frau und Schwiegervater mit Alibis und Ausreden, kurzum, er tut alles, was ein anständiger Junge nicht tun würde. Und das ist auch vonnöten, denn ohne Rahul würde Siddharth bei seinem Fremdwildern in Gefahr geraten, alles zu verlieren, denn die Firma gehört der Familie seiner Frau, würde er aufliegen, wäre es auch mit dem schönen Leben vorbei. Also hält er seinen treuen Diener mit falschen Versprechungen bei der Stange und ist sich auch nicht zu schade, ihn mit seinem Traum emotional zu erpressen.

Doch dann taucht in einer bezeichnenden Szene mit Mercedes und Motorroller ein ehrgeiziges Mädchen auf, in das sich Rahul verliebt, für ihn das erste Mal und als, natürlich, auch Siddarth ein Auge auf Seema (Juhi Chawla) wirft, wird die Sache kompliziert. Rahul muss sich entscheiden zwischen seinem Traum, also den Interessen seines Bosses, und der Liebe zu Seema, die selbst Gefahr läuft, auf die Verlockungen des Geldes hereinzufallen. Doch das würde eine offene Kampfansage an seinen Boss bedeuten…

Yes Boss (charakteristischerweise der Standardslogan von Rahul) ist eigentlich ein typischer Shah Rukh Khan Film, der ihm auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Er darf hier alles ausspielen, Komik, Tragik, Herzschmerz, seinen Charme, auch mal mit ein paar Tränchen und einem klitzekleinen bisschen Blut zum Höhepunkt. Wo auch das damals schon fast obligatorische Aquarium samt Fischis seiner Zerstörung harrt. Obwohl voller Bollywoodklischees ist der Film dank dem inzwischen routinierten Zusammenspiel von Shah Rukh und Juhi unterhaltsam und kurzweilig, einfach typisches Masala, wie wir es lieben. Auch die Nebendarsteller sind gut besetzt und bilden einen glaubwürdigen Rahmen um die beiden Hauptfiguren, auch wenn der Film von Shah Rukh und Juhi mühelos getragen wird. Johnny Lever wie immer mit etwas gewöhnungsbedürftigem indischen Humor, die beiden Bösewichter schön fies und hinterhältig, wie sie sich gegenseitig ausspielen wollen, allerdings auf Kosten des armen Rahul, die liebevolle (herzkranke) Mutter und der Kumpel, der Rahul immer mal wieder auf die Sprünge hilft und für ihn auch mal die Weichen stellt.

Ich liebe diesen Film, einfach, weil Shah Rukh hier mit einer eigentlich realistisch-traurigen Figur alle Gefühle durchspielen darf und vor allem dieses unwiderstehliche, herzzerreißende Lächeln, wo er eigentlich weinen möchte. Intensive Szenen wechseln mit leichter Komik. Leinwandfüllende Nahaufnahmen mit atemberaubenden Kulissen, ja, auch die Schweizer Berge. Shah Rukh schaffte es doch immer wieder, nur durch einen Blick alles zu sagen. Bei manchen Szenen brauche ich einfach jedes Mal ein Taschentuch. Aufgelockert wird die eigentlich tragikomische Grundstimmung durch ganz untypisch trockenen Humor, der sich als Rahuls ständige „Freud’sche Versprecher“ manifestiert, wenn ihm (absichtlich) immer mal wieder die Wahrheit rausrutscht. Dinge, die er eigentlich sagen würde, wenn er könnte, wie er wollte…

Überhaupt ist dieser Film voller süßer kleiner liebevoller Szenen, vor allem die Szenen, als sie ihn unabsichtlich verletzt und eigentlich Siddharth meint (ich sage nur Augenpusten, schmelz), die Szenen als Ehepaar, die die Hilflosigkeit von Rahul und Seema zeigen, ihre Unfähigkeit, sich ihrer Zwänge zu befreien und zu ihren Gefühle zu stehen, da dies das Ende ihrer Träume bedeuten würde. Es zeigt die finanzielle Abhängigkeit des kleinen Angestellten, der, obwohl ihm Herz und Verstand etwas anderes sagen, zu allem, was der Boss sagt, nicken und zähneknirschend ja und amen sagen muss. Es sind nicht immer nur Frauen, die sich im übertragenen Sinne prostituieren. Beide, Rahul und Seema wollen ihre jeweiligen Träume verwirklichen, Seema sogar durch Zweckheirat eines reichen Mannes, und beiden macht die Liebe einen Strich durch die Rechnung.

Derweil treibt es Siddharth auf die Spitze. Er hat sich inzwischen so tief in sein Lügengespinst verstrickt, das er die beiden zwingt, ein Ehepaar zu spielen, um seine Frau zu beruhigen, die Verdacht schöpft. Rahul ist gezwungen, Yes Boss zu sagen, um seinen Traum nicht begraben zu müssen und er überredet auch Seema wider besseres Wissen dazu, Siddharth zu vertrauen, obwohl der sie immer wieder versetzt und belügt. Dazu kommt, das seine herzkranke Mutter keinerlei Stress verträgt und daher muss auch er Seema seelisch und moralisch erpressen, mitzuspielen. Shah Rukh darf auch mal wieder ein Selbstgespräch hinlegen, das an die Nieren geht.

Inmitten des Films kommt es zu einem kleinen Vorhöhepunkt, der uns aus einer fast einschläfernden Behaglichkeit reißt, wo wir doch schon beinahe glauben, alles sei Friede, Freude, Eierkuchen. Gerade als sich Rahul in der Scheinwelt des glücklichen Ehelebens in Sicherheit wiegt, prügelt ihn ein Alptraum buchstäblich wieder in die Wirklichkeit zurück. Beim ersten Mal sehen hat es eine Weile gedauert, bis ich merkte, dass es ein Traum ist. Doch dieser Traum macht uns und Rahul klar, das er um das Mädchen kämpfen muss, wenn er es ernst meint. Und das dies nicht ohne Verluste abgehen wird.

In dem Song Jaata Hai Tu Kahaan bringt Rahul es dann auf den Punkt, als er Seema vor die Wahl stellt, ob sie sich mit Siddharth für ein Leben ohne Liebe aber im Reichtum entscheidet, oder für das Mittelklasseleben (Motorroller statt Mercedes) von Rahul, der sie dafür über alles liebt.

Dafür, dass die obligatorische Prügelszene am Ende inklusive Scherben nicht zu einem geistlosen Haudrauf verkommt, sorgt die an den unmöglichsten Stellen einsetzende Diskussion zwischen Seema und Rahul. Als sie ihm endlich ihre Liebe gesteht, findet auch er schließlich die Kraft zurückzuschlagen, wortwörtlich.

Wie würden wir uns vor die Wahl gestellt entscheiden und es fragt sich nur, ob sich nicht einer der beiden nach Jahren die Frage stellt, habe ich die richtige Wahl getroffen?

Auch die Frau in uns kommt in dem Film voll auf ihre Kosten, denn Shah Rukh taucht manchmal in den unwahrscheinlichsten Kostümen auf (ich sage nur Nachthemd und gelbe Socken zu schwarzem Anzug), oder auch mal nur mit Handtuch bekleidet, er darf nahezu artistische Tanzeinlagen hinlegen, inklusive des damals unvermeidlichen Purzelbaums, der beim Zuschauen schon weh tut. Hier beweist Shah Rukh auch mal wieder Mut zur Hässlichkeit und manchmal sieht man richtig das Kind im Manne hervorlugen. Und ich liebe seine Haare in dem Film.

Trivia:
In einer kleinen Szene sieht man einmal das damals noch unrenovierte Mannat…
Saif Ali Khan war zuerst für die Rolle vorgesehen…

Obwohl der Film eine typische vorhersagbare Komödie aus den Neunzigern ist, ist er noch heute unterhaltsam und das Thema noch immer aktuell. Und für Fans von Shah Rukh Khan sowieso ein Muss. Und da der Film in der deutschen Ausgabe keine Hinditonspur aufweist, eine Bitte, holt euch die Originalfassung mit englischen Untertiteln, ich hab meine von Moserbaer und bin zufrieden. Die deutsche Fassung habe ich nur mit Bauchschmerzen ertragen…