Maya Memsaab, der eine Film, der wohl bekannter ist wegen der Szenen, die gar nicht darin enthalten, sondern nur auf diversen Videoplattformen zu finden sind. Und von Shah Rukh Khans damaliger Experimentierfreude profitiert, die er nach unschönen Auswirkungen erst mal auf ein Nebengleis gestellt hat. Der Arthausfilm Maya Memsaab war neben Ahamak The Idiot Shah Rukhs erster Ausflug ins Filmgewerbe, er hatte bisher nur Serien gemacht. Doch diese beiden Rollen waren eine Vorahnung seiner späteren Filmrollen.

Die Geschichte ist lose inspiriert von Gustave Flauberts Madame Bovary und schnell erzählt. Nach dem Tod der schönen Maya (Deepa Sahi) wird dieser von zwei Polizisten untersucht. Der erste auf ihrer Liste ist der Ehemann, der Landarzt Charu Das (Farooque Shaikh), der Maya während der Behandlung ihres Vaters kennen lernte. Dieser hatte Schwierigkeiten, seine kluge und träumerische Tochter zu verheiraten, die in ihrer eigenen Welt lebt (Maya bedeutet auch Illusion).

Charu ist verheiratet, bekommt die zauberhafte Maya aber nicht mehr aus dem Kopf. Doch die unbekannte Ehefrau stirbt an einem Herzanfall und kurz danach kommt Mayas Vater mit einem Heiratsangebot zu Charu. Aufgewachsen in einem verwunschenen Haveli, ernüchtert sie der einfache Haushalt eines Landarztes. Doch nach einem unschönen Erlebnis ziehen die beiden in eine andere Stadt. Maya wird Mutter, aber es zeigt sich bereits eine unbestimmte Veränderung bei ihr. Rastlos und unzufrieden beginnt Maya sich zu langweilen und nimmt sich zwei Liebhaber, den jungen und unerfahrenen Lalit Kumar (Shah Rukh Khan) und den erfahreneren Rudra Pratap Singh (Raj Babbar). Daher auch zwei sehr unterschiedliche Liebesgeschichten. Jeder sieht etwas anderes in ihr. Mayas extravaganter Lebensstil führt dazu, das sie Schulden macht und auch nach der Geburt ihrer Tochter Chaya betrügt sie ihren Mann weiter. Eingeengt in ihrer Ehe mit einem Mann, der sie langweilt, sehnt sie sich danach, dem kleinbürgerlichen Leben zu entfliehen, ist auf der Suche nach Romantik und ihrer Freiheit. Sie muss aber erkennen, dass auch ihre Affären nicht die ersehnte Freiheit bringen. Desillusioniert versinkt sie immer mehr in ihrer Traumwelt, verstrickt sich immer mehr in Schuldgefühle und Verzweiflung. Und als sie wirklich Hilfe braucht, bleibt sie allein…
Ein Thema, wie geschaffen für diese Kulisse in Indien. Ein Kunstfilm, verfilmt von Regisseur Ketan Mehta, der zeitweise fürs Parallel Cinema arbeitete und Madame Bovary hier ansprechend umsetzte. Die recht kurzen Tanznummern sind ungewohnt, die Songs zwar keine Ohrwürmer, aber passend. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die für indische Verhältnisse doch recht gewagten erotischen Szenen. Der Film war jedoch auch fürs internationale Publikum gedacht und vielleicht deshalb etwas freizügiger. Für die Zeit war es doch ungewöhnlich, den nackten Busen der Hauptdarstellerin aufblitzen zu sehen.

Interessant ist jedoch, das Shah Rukh Khan hier bei einem ausgedehnten erotischen Gerangel zu sehen ist, auch wenn für europäische Zuschauer eher harmlos und ein wenig peinlich. Wie gesagt, er versuchte sich damals noch an den unterschiedlichsten Genres und Rollen und hatte sich noch nicht festgelegt. Allerdings wurden die expliziten Szenen geschnitten, diese tauchten jedoch mysteriöserweise immer wieder im Netz auf. Wer also mal des Meisters nackten Hintern bewundern will, viel Spaß beim Suchen. Seine spätere Weigerung, vor der Kamera zu küssen, kann ich jedoch nur begrüßen, hier stellt er sich (vor der Kamera) nicht allzu begabt an. Geschadet hat es ihm allerdings nicht, macht es sein heutiges Image doch nur interessanter.
Maya Memsaab ist ein interessanter und vielschichtiger Film, wenn man sich darauf einlässt. Beim ersten Mal kann man nicht erwarten, diesen Film zu verstehen, ich brauchte mehrere Anläufe dazu und bin mir noch immer nicht sicher. Warum der Film trotzdem nicht erfolgreich war, liegt vielleicht an der etwas nachlässig erzählten Geschichte von Maya. Die Handlungsstränge sind nicht ausreichend vertieft, Endungen kommen zu plötzlich, die Übergänge sind manchmal nicht nachvollziehbar. So kommt kein Verständnis oder Sympathie für sie auf, warum sie sich lieber mit ihren Liebhabern vergnügt, als die gute Ehefrau und Mutter zu spielen. Der Film hält sein eigenes Tempo nicht durch, obwohl er mit etwas mehr als zwei Stunden nicht zu lang ist. Oder vielleicht eben nicht lang genug. Heute ist der Film für Fans von Shah Rukh interessant, die auch mal eine andere Seite des Schauspielers sehen wollen.
Deepa Sahi spielt Maya beeindruckend, ihre Stimmungsschwankungen, ihr gelegentliches Abdriften in die Traumwelt und zunehmende Unfähigkeit, mit der wirklichen Welt zurechtzukommen. Am Ende verblasst sie wie eine Illusion. Shah Rukhs Zusammenspiel in Maya Memsaab erinnert ein wenig an ihre Zusammenarbeit in Oh Darling Yeh Hai India und macht einfach Spaß beim Zuschauen. Hier spielt er den erst ungelenken, unerfahrenen, dann obsessiven und teilweise arg durchgeknallten Liebhaber in einer Affäre voller Eifersucht und Aggression sehr überzeugend. Wer bringt seiner Angebeteten schon einen Kaktus oder Plastikblumen als Geschenk? Die beiden haben ein paar zauberhafte Szenen zusammen, sowie schon sehr Bollywoodmäßige Songeinlagen, in denen er bereits zeigen kann, dass er das Zeug zum Hero hat. In diesem Film zeigt er eigentlich schon die Versprechungen all der kommenden Filme. Und er redet wie ein Wasserfall…

Interessant ist, das KANK immer als der erste Film genannt wird, in dem Shah Rukh einen Mann spielt, der mit der Frau eines anderen im Bett landet. Stimmt nicht, MM kam weit früher. Na gut, hier ist zumindest er nicht verheiratet.
Doch ein Skandal umschattete den Film. Ein anonymer Artikel im Cine Blitz besagte, das Shah Rukh und Deepa Sahi (auch Ehefrau von Regisseur Ketan Mehta) von Ketan vor der Bettszene gebeten worden seien, die Nacht zusammen in einem Hotel zu verbringen, um miteinander vertraut zu werden…
Shah Rukh verdächtigte Keith D’Costa, den Artikel geschrieben zu haben und bedrohte ihn massiv, auch zuhause. Daraufhin schaltete dieser die Polizei ein und Shah Rukh landete auf dem Polizeirevier. Später konnte Shah Rukh von Virginia Vacha vom Cine Blitz davon überzeugt werden, das D’Costa nichts damit zu tun hatte und er tat alles, um sich bei diesem und dem Cine Blitz zu entschuldigen. Die ganze unschöne Geschichte ist in Anupama Chopras Buch King of Bollywood ab Seite 152 nach zu lesen.
Doch danach spielte Shah Rukh nie wieder eine eindeutig sexuelle Szene.