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Shubha Shetty Saha

Wir erwischen Shah Rukh Khan in einer nachdenklichen Stimmung, er telefoniert mit seiner Tochter Suhana und spricht über ihren Tag, während er vor dem großen Fernseher in seinem Van klebt. Der Fernseher bringt News über den kürzlichen Brückeneinsturz in Kolkata, und der Moderator spricht mit einer der Frauen, die dabei einen Verwandten verloren hat. Ungeachtet seiner Verbindung mit Kolkata scheint SRK ein wenig aufgebracht über die Art und Weise zu sein, wie die Tragödie gehandhabt wird. Im Laufe des zweistündigen Interviews war er daher auch nur einmal aufgebracht, als wir das Thema ansprachen, daß es in der heutigen Gesellschaft ernsthaft an Helden oder Idolen fehle, nach denen man sich richten kann.
„Warum brauchen Sie Idole?“ sagt er ernst, „Lassen Sie mich ehrlich sein, die Medien verlieren sich in ihrem eigenen Medienrummel, wer gut oder schlecht ist. Die Wahl eines Helden oder eines Idols basiert allein auf zwei Faktoren — jemand, der wie Sie ist oder jemand, der so ist, wie Sie sein wollen. Der Held oder das Idol sind nichts als eine Erweiterung Ihrer Persönlichkeit. Wenn Sie sich umsehen, es gibt keinen Mangel an Helden. Mein Fahrer ist mein Held. Er arbeitet fast rund um die Uhr. Es ist nichts besonderes, besonders zu sein, es ist etwas besonderes, gewöhnlich zu sein und weiterzumachen. Mein Fahrer bekommt nichts Spezielles von mir, außer vielleicht, das er einigen Leuten sagen kann, das er der Fahrer von Shah Rukh Khan ist. Ich rufe ihn um 9 Uhr und verlasse das Haus, wann auch immer ich will. Er ist bis spät abends mit mir zusammen, manchmal bis in die frühen Morgenstunden. Ich lasse ihn wie einen Irren arbeiten. Schauen Sie sich die Nachrichten an. Die elektronischen Medien erschaffen jeden Tag einen Helden oder Schurken. Wenn es nichts gibt, sorgen sie dafür, das es irgendwas gibt, genug, um jemanden zum Schurken oder Helden zu machen.
(Während er auf den Fernseher zeigt, wo der Moderator jetzt nahe der Unglücksstelle einen Teller Momos ißt) 22 Menschen sind bei dem Unfall in Kolkata gestorben. Das Erste, was jeder Mensch nach solchen Nachrichten fühlt, ist Trauer… und der Gedanke, daß jene armen Leute so wie Sie und ich waren. Die elektronischen Medien werden uns jedoch nicht mal für 40 Sekunden diesem Gefühl überlassen, da sie dazu weitergegangen sind, es zu politisieren, über eine potentielle Bombenexplosion zu sprechen, und mittlerweile haben wir alle jene 22 Opfer vergessen und sind mit dem Gedanken beschäftigt, wessen Fehler es ist. Im Endeffekt ist es etwas ganz anderes geworden. Wir werden gefühllos in unserer Suche nach Helden, Schurken und Sensationsgeschichten. Ich schaue die Nachrichtensendungen, daher habe ich jetzt damit aufgehört, erfundene Geschichten zu schauen,“ sagt er mit seinem typischen Grübchenlächeln. Sein Humor ist auch zurückgekehrt, während er lachend sagt, „Meine Heldin ist Samantha Fox (englische Schauspielerin und Sänger). Wie ich schon sagte, ein Held ist entweder jemand wie Sie, oder jemand, der so ist, wie Sie sein wollen.“
Im Ernst, hat er ein Idol? „Jetzt nicht. Doch als ich heranwuchs, war Muhammad Ali (amerikanischer Boxer) mein Held. Ich denke, daß er ein wirklich cooler Typ war, solch ein Meister und so artistisch, mit diesem Sinn für Humor und dann diese Tragödie. Der härteste Mann auf Erden konnte nicht mal die Fliege von seiner Nase verjagen. Sein Leben ist eine solch faszinierende Geschichte,“ sagt er.

Wenn wir über Helden und Idole sprechen, in seinem nächsten Film Fan spielt er sowohl ein Idol als auch einen Fan. Er hatte uns früher gesagt, daß dies ein Film sei, wo den er in sich gehen mußte, um sich vorzubereiten. „Ja, für diesen Film mußte ich wirklich hart arbeiten. Einen Fan zu spielen, was ich nie gewesen bin, ist schwer, weil wir sicherstellen müssen, daß sich Fans mit dieser Person identifizieren. Sie müssen mit einer gewissen Würde an der Integrität des Charakters festhalten. Ich habe keine Referenzen, ich weiß nicht, wer er ist, daher ist es eine schwierige Aufgabe,“ erklärt er.
Wenn er in sich geht, findet er irgendwas, was ihm fehlt? „Ja,“ sagt er in aller Ehrlichkeit, bevor er hinzufügt, „ich denke, daß ich ein äußerst durchschnittlicher Schauspieler bin, doch ich arbeite sehr hart. Ich wünschte, ich hätte mehr Talent. Ich bin sehr sensibel und einfühlsam in Bezug auf Emotionen, aber das ist mein Problem. Ich kann es nicht erklären. Ich kenne und verstehe Emotionen besser als irgend jemand sonst. Ich kann Trauer, Glück, Güte in einer Sekunde spüren, aber ich bin nicht sicher, ob ich all das in meine Schauspielerei übertragen kann. Ich bin selbst sehr empfindsam, leider bin ich als Schauspieler nicht gut genug, um es richtig darzulegen. Meine Gefühle fließen schneller als mein Fähigkeit, sie als Schauspieler auszudrücken.“
Fünfundzwanzig Jahre ist er jetzt dabei, macht er sich immer noch Gedanken über die Erwartungen der Leute (sprich: Fans)? „Wenn die Leute anfangen, groß zu werden, fangen sie an, Angst zu bekommen und zu denken, was, wenn die Leute aufhören, etwas zu mögen, was ich mache. Es ist die Sorge, daß Sie bei allem, was Sie tun, Ihre Leistungen der letzten 25 Jahre aufs Spiel setzen. Doch die Wahrheit ist, daß Sie nichts machen können, was alle der zwanzig Millionen Menschen mögen werden. Wenn Sie dem soviel Wert beimessen, was die Leute mögen und was nicht, können Sie nicht wirklich viel tun. Daher mache ich einfach das, was mich am glücklichsten macht. Ich kann nicht jedermanns Meinung ernst nehmen, weil man nicht alle zufriedenstellen kann. Als ich anfing, hatte ich keinen Fan, mein Bild befand sich in einer Ecke des Deewana Posters, und ich war nicht mal aus Mumbai. Was war damals mein Maßstab? Wenn morgen mein Sohn lanciert würde und sein Bild sich in einer Ecke des Posters befindet, könnte ich ihm sagen, daß das nicht richtig ist. Doch ehrlich gesagt, spielen diese Dinge keine Rolle. Sie müssen einfach tun, was Sie mögen. Ich machte viele Dinge, von denen mir die Leute abrieten, bevor ich Darr tat; andere Leute wurde wegen der Rolle angesprochen, doch sie alle schlugen sie aus, weil sie die Sorge hatten, sie würden ihre Anhängerschaft verlieren. Also machte ich es. Einige Enttäuschungen werden sicher dabei sein, doch zumindest würde ich einige Dinge für mich selbst machen. Das ist eines der wenigen Dinge, die ich für mich tun darf,“ sagt SRK eloquent.
„Ich glaube nicht, daß ich der großartigste Schauspieler bin. Meine Mittel sind begrenzt, doch es gibt Zeiten, wo ich Filme für mich selbst machen will. Das ist der Grund, warum ich den Film mit Gauri Shinde machte, auch wenn es nur eine Arbeit von zwei, drei Tagen ist. Ich bin Shah Rukh Khan, ich brauche es nicht zu tun, doch dann hatte ich wirklich viel Spaß dabei. Den Film von Aanand L Rai mache ich aus demselben Grund. Sie können die Leute nicht zwingen, Sie zu lieben. Vergessen Sie mich, sehen Sie sich die Leistungen von Menschen wie Amitabh Bachchan und Sachin Tendulkar an. Die Leute sind nicht mal mit ihnen zufrieden, wer bin ich dann? Diese Leute haben so viel erreicht, daß selbst, wenn sie nichts machen, oder etwas nicht richtig machen, diese Dinge nicht in Betracht gezogen werden sollten,“ sagt er.
„Abgesehen davon, glauben Sie mir, wenn ein Film von mir durchfällt, ist niemand trauriger als ich. Ich glaube, daß ich niemanden mehr enttäuschen würde als mich selbst. Es geht nicht ums Geschäft, es macht ein schlechtes Gewissen, nicht die Unterhaltung zu bieten, die ich dem Publikum versprach. Ich lieferte nicht das, was ich hätte sollen,“ fügt er hinzu.
Ist diese Last nicht zu groß, um sie tragen? „Wenn ich diese Last nicht trage, habe ich kein Recht darauf, ein Star zu sein,“ sagt er. Gibt es etwas in der Industrie, wovor er seine Kinder würde schützen wollen? „Ich muss sie nur vor mir selbst schützen, meinem Schatten, meinem Ruhm. Ihnen helfen, ihre eigene Identität zu finden, ihre eigene Quelle der Inspiration, wie ich es tat, als ich anfing,“ endet er.